frühwerk

O.T. 1993

der begriff „frühwerk“ ist was für alternde hochschulprofessoren, denen nichts mehr peinlich ist. ich bin zwar kein professor aber mir ist auch nicht mehr viel peinlich.

1992 fing ich an zu studieren. in meiner bewerbungsmappe waren ganz schöne schmierereien aber ich bin sicher, wegen meines bauchfreien oberteils bei der mappenberatung genommen worden zu sein.

schnell war mir klar, dass das geschmiere nicht mehr lange gut gehen würde. außer mir malte keiner. die kommilitonen lasen den theorie-teil des kunstforums, besuchten die theorie seminare (keiner ging in die werkstätten), fuhren auf konzeptkunst ab und waren der meinung, dass die welt in materieller hinsicht schon „voll genug“ sei.

um der allgemeinen material- und schmierbildfeindlichkeit genüge zu leisten brauchte ich also konzepte, irgendwas seriöses, mit worten zu vermittelndes, irgendein system, was mich handlungsfähig bleiben lässt: ich bat einen kommilitonen mich zu fotografieren während ich das alphabet aufsagte.
achim hoops, der prof der nachbarklasse, zu dem ich gerne ging, winkte ab: „das ist nichts für dich“.

also weiter. transparentpapier und folien. aus linien wurden einschnitte und die ausschnitte zu objekten. platten, die vorher malgründe waren, wurden mit stichsäge und flex zerlöchert und in die löcher konnte was rein. seifen wurden geschnitzt.
platten wurden geschichtet, als liporellos und steckspiele, spielsachen tauchten auf.
ich war angekommen.