mein wankender glaube an das gute im jurymitglied

ich hab das mit den jurys nie so ganz durchschaut. ich weiss nur: meine fürsprecher waren ausgerechnet immer die schüchternen, die sich am ende selber frugen, wieso sie mich eigentlich vorgeschlagen hatten.

so wie damals, als mir das wasser wieder mal bis zum hals stand. ich musste mein atelier aufgeben und konnte auch die wohnungsmiete kaum bezahlen.
die ausschreibung kam wie gerufen. ein jurymitglied rief mich an, ich könne mich für einen lehrauftrag bewerben. das gehalt war zwar auch eher ne art almosen, aber die miete hätte es wenigstens gesichert. man musste unter 35 sein (ich war 34 einhalb), weiblich, in hamburg ansässig und – bildhauerin.
die meisten jurymitglieder kannte ich persönlich und ich war ziemlich sicher, dass die meine arbeit zumindest respektierten. ausserdem hatte ich eine weile in privaten kunstschulen gejobbt, kann einigermassen reden und weiss sogar ein bischen was – konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen.

das bewerbungsgespräch verlief schleppend. die juryvorsitzende, der leiter der pädagogik-abteilung und ich – wir wurden keine freunde. der pädagoge stellte mehrere fragen, die minutenlange monologe waren und die ich alle mit „wie lautet nochmal die frage?“ beantwortete. die vorsitzende fragte soetwas wie: „du bist ja nicht gerade dafür bekannt, besonders konzeptuell zu arbeiten – siehst du dich überhaupt in der lage mit studenten, die konzeptuell arbeiten, umzugehen?“
wenn ich richtig erinnere hab ich mit “ja” geantwortet.

ein paar tage später erhielt ich die nachricht, dass sie die stelle der lieblingsstudentin der juryvorsitzenden gegeben hatten, eine videokünstlerin, die gerade ihr diplom gemacht hatte. den namen hatte ich noch nie gehört, das lag wohl daran dass ihre bisherigen ausstellungsteilnahmen an einem finger abzuzählen waren.

mein fürsprecher meinte hinterher, ich hätte noch unbedingt erwähnen sollen, dass ich schon lehr-erfahrung hatte, das hätte es sicher gebracht.

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sechs jahre ist das jetzt her. seitdem hab ich mich nur selten irgendwo beworben. das letzte mal beim kunstfonds, aber nach dem 5. oder 6. versuch beschloss ich erstmal auf eine andere jury zu warten. solange der damalige hamburger kunstvereinsleiter, bekennender uninteressant-finder meiner arbeit, dort mitglied war hatte es eh keinen zweck und die vielen ortsgebundenen stipendien, wo man rausgeschmissen wird, wenn man zu oft das dorf verlässt, kamen für mich auch nie in frage.

als ich vor einigen wochen die aufforderung erhielt, mich für eine bestimmte förderung zu bewerben, war meine fotomappe auf dem stand von 2005 .
ich hatte noch 8 wochen bis zur abgabe. geplant waren eine reihe neuer objekte, radierungen und die fotomappe.

die erste woche ging für recherche und ideenentwicklung drauf. die nächsten 3 für die objekte. dann eine woche für die photomappe (das scheint übertrieben aber material zusammensuchen, bilder nachbearbeiten, drucken lassen, zum labor fahren, papier für die mappe kaufen, texte drucken, eintüten – das dauert.)
dann die radierungen. die ersten acht ergebnisse waren schonmal schrott. um das festzustellen brauchte ich schon 2 wochen. also nochmal 8 platten besorgt, radiert, geätzt, gedruckt, das dann in der letzten woche.
alles in allem hab ich locker 500€ ausgegeben. 300€ für acrylglashauben und holz, knapp 100€ für die neuen fotos und für papier, kupferplatten, ätzgrund etc. sowieso schon ein vermögen.

bei abgabe erfuhr ich, wer in der jury sass. unter anderem ausgerechnet der ehemann der juryvorsitzenden von damals. die meisten jurymitglieder kannte ich nicht persönlich aber immerhin musste ich nicht persönlich vorsprechen und seltsame fragen beantworten.

ein paar tage später dann die ablehnung. ich fragte, wen sie denn genommen hätten. es wurden namen aufgezählt, einige hochkarätige leute, allesamt sehr verdient. u.a. sogar ein ehemaliger professor von mir, der selbst mal in dieser jury war und mit besagtem “ehemann”- jurymitglied seit jahren eng befreundet ist. dem hat übrigens auch die juryvorsitzende, an der ich bei meiner lehrauftragsbewerbung scheiterte, ihren job zu verdanken.

und wo ich jetzt grad so im flow bin hab ich beschlossen, die mappe gleich weiter zu schicken zum kunstfonds. leider bin ich wieder mit keinem dieser jurymitglieder weder befreundet noch verwandt aber die mappe war einfach zu teuer um rumzuliegen.