himmel über der beusselstrasse

bisher war die malerei immer eine art ex, mit der ich hin und wieder nochmal was anfing. hat sich nie gelohnt, sodass es immer bloss beim one-night-stand geblieben ist. diesmal muss es aber wohl ganz gut gewesen sein.

am anfang dachte ich noch, es hinge mit meiner üblichen sentimentalität zusammen, die mich bei neuen atelierbezügen immer befällt. offenbar überkommt mich ja regelmässig so eine art zweiter mal-frühling. im bullerdeich war das so und auch im ausschläger weg und als ich letzten april nach fast 5 monatiger suche endlich mein neues atelier in der beusselstraße bezog ging es sofort wieder los.
nachdem ich nun aber schon fast ein jahr male wird es langsam seltsam. mit einem ehrgeiz, der schon fast peinlich ist. während ich die hälfte der bilder, die ich 1999 nach dem umzug in den ausschläger weg zur entspannung malte, noch an freunde verschenkte, überlege ich diesmal ernsthaft, sie nichtmal mehr zu verkaufen.

woher dieses neue gemale kommt kann ich nur ahnen. es kann mit dem ort zutun haben, der beusselstrasse, und vielleicht auch mit berlin und der stimmung hier.
in hamburg machte mich der weg zum atelier und der nach hause weg immer irgendwie traurig.
eigentlich mag ich hammerbrook, den hässlichen bahnhof, die stärkefabrik am grünen deich, der niedliche bullerdeich über dessen kopfsteinplaster den ganzen tag die laster krachen sodass man im sommer das fenster nicht öffnen kann, den recyclinghof gegenüber, den wir allerdings nie nutzen konnten weil wir künstler dort als „gewerblich“ galten und für jeden alten stuhl hanebüchene summen ablaschen sollten.
aber wenn man in hammerbrook nicht gerade morgens gegen 8 oder zur feierabendzeit unterwegs ist (was ich nie war) sind die strassen dort komplett ausgestorben. und am wochenende und an feiertagen begegnet man dort keiner menschenseele.
wenn ich abends nach hause schlurfte erinnerte mich die leere der strassen immer daran, wie egal es doch alles war, was ich tat.

auf der beusselstraße nun ist zu jeder tages- und nachtzeit die sau los. um das zu merken muss man nichtmal das haus verlassen: gegenüber ist ein geschäft für aussen-LED-beleuchtung. ausserdem gibt es einen porno-laden, einen dönermann, einen bäcker wo man heisse bockwurst mit senf und brötchen für 1,20 bekommt und ohne ende spätis. die strasse runter kann man sich vor supermärkten kaum retten und rauf ist ein gefängnis und ein krankenhaus. martinshörner erklingen auf der beusselstrasse im minutentakt. und ich weiss nicht wie ich es anders sagen soll: ich liebe sie.

in meinem hamburger atelier musste ich ewig gegen meinen fluchtreflex ankämpfen. die isolation machte mich ganz kribbelig.
um mich zu beruhigen und mich auch mal ohne drohende deadlines dort aufzuhalten besorgte ich mir extra ein sofa, obwohl das atelier dafür viel zu klein war.
das berliner atelier ist zwar gross genug, es braucht aber eigentlich kein sofa mehr, ich bin vollkommen entspannt und male 9 monate an 6 bildern.

wenn ich abends am s-bahnhof beusselstrasse auf den 106er warte stehe ich auf der brücke über den gleisen und kucke mir den himmel an. in hamburg hatten wir auch solche himmel, schönere sogar, aber nur der himmel über der beusselstrasse hat bei mir auf dem rechner seinen eigenen order und ist in begriff gemalt worden zu sein.
ich sag bescheid, wenns fertig ist.

aus "prostituierte 1-6" (unfertig)