kurzer zwischenbericht aus der königsklasse

meine ausgabe von inside the painter’s studio* sieht inzwischen aus wie ein altes zerfleddertes „lustiges taschenbuch“.
es ist eine sammlung von interviews mit malern, geführt und zusammengetragen von dem künstler joe fig.
ich hatte hier schonmal was dazu geschrieben.

die interviews handeln, das ist das besondere, nicht von den arbeiten, also den ergebnissen, sondern von der arbeit ansich. dinge wie arbeitszeiten, ob die künstlerIn an der staffelei arbeitet, an der wand oder auf dem fussboden, wie oft er oder sie das atelier putzt (und ob überhaupt) und an wievielen bildern er/sie gleichzeitig arbeitet.
mehrere künsterInnen haben absichtlich keine stühle im atelier, einer legt sich zum ausruhen dann immer auf den boden. manche arbeiten rund um die uhr, andere nur 3 stunden am tag. eine hat sich ihr atelier die wände vertäfeln lassen und erklärt wieso, bei einem anderen läuft immer der fernseher.
es werden geheimtipps ausgeplaudert, wie man es zum beispiel hinbekommt, dass flüssige farbe nicht tränt ohne die leinwand hinzulegen, wie man schnurgerade linien malt wenn man abkleben doof findet und ob man pinsel wirklich jeden abend auswaschen muss. viele dinge, die man sonst sonst nur mühsam durch jahrelanges rumprobieren austüftelt.

weil ich nie in einer malklasse war hatte ich immer das gefühl, eben diesen austausch von tricks und hausmitteln verpasst zu haben. wenn ich allerdings darüber nachdenke, habe ich auch keinen einzigen „bildhauer-trick“ in der bildhauerklasse gelernt.
lange nach dem diplom hab ich noch einem werkstattleiter vom fachbereich industriedesign hinterher telefoniert um zu fragen, wie man PU-schaum daran hindert, sich auszudehnen. von den hochbezahlten profs, würde ich mal tippen, wüsste das keiner.

und ähnlich schwer wie es ist, an solche mündlich überlieferten tricks zu kommen, ist das auch texte zu finden. natürlich kann man sie ergoogeln aber das sollte man dann am besten schon auf englisch tun. auf deutsch gibt es nur das kunstnet und ich kenne persönlich keinen künstler, der das nutzt (geschweige denn kennt).
amerikanische seiten wie wetcanvas sind da schon weitaus brauchbarer.
dasselbe bei büchern: wer nach deutschsprachigen büchern über maltechnik sucht der bekommt 2 bücher genannt. den dörner* und den wehlte*. max dörner hat seins 1921 geschrieben, kurt wehlte 1967. der dörner dürfte als das kultbuch aller hautleim-, eitempera- und freskenfreaks gelten und wäre ich restauratorin hätte ich die 50 euro dafür sicher auch entbehrt. für maler des 21. jahrhunderts die was über zeitgenössische farben und malmittel wissen wollen ist es aber wohl eher nichts.
ich hatte mich irgendwann mal für den wehlte entschieden und benutze ihn inzwischen meistens zum beschweren beim kleben.

neben „inside the painters studio“ kann ich übrigens noch zwei weitere englischsprachige maltechnik-bücher empfehlen, die ich mir in letzter zeit gekauft habe: “Color and Light: A Guide for the Realist Painter”* von James Gurney und “Portrait Painting Atelier: Old Master Techniques and Contemporary Applications”* von Suzanne Brooker.
portrait painting atelier ist ein wahnsinnig ausführliches buch über klassische portraitmalerei in lasurtechnik. grisaille kommt vor aber hauptsächlich kombinationen aus nass-in-nass und lasuren. es stehen auch jede menge tricks drin (was man machen kann bei eingeschlagenen stellen, wie man oberflächen säubert, welche malmittel was können) und es gibt eine art lehrgang, der ziemlich komplex ist und zum ziel hat, die pigmente und wie sie sich verhalten intuitiver zu beherrschen.
ich hab mich tatsächlich eine woche lang hingesetzt und 500 kästchen ausgemalt. abgesehen davon, dass ich erkannt habe, dass kästchen malen nichts für mich ist, muss ich zugeben, dass es was gebracht hat. ich muss jetzt nicht mehr drüber nachdenken, welche töne lasieren, welche decken und wie stark sie färben. ich kann phthaloblau von ultramarin unterscheiden, weiss auswendig, welches rot kühl und welches blau warm ist, und verwechsle zink- nicht mehr mit titanweiss.

das gurney buch “color and light” ist allerdings der blanke wahnsinn. das buch drücke ich jedem ans herz der realistisch malen will und so wie ich von sich sagt, er habe es nicht so mit farben.
im augenblick male ich unter anderem an einer reihe landschaftsbilder und ich finde kaum was anspruchsvoller als jedwedes grünzeug.
ich habe die sache also etwas abgekürzt: statt mich mit der feldstaffelei in den wald zu stellen habe ich einfach das buch durchgelesen und wurde fast erschlagen mit antworten auf fragen, von denen ich garnicht wusste, dass ich sie hatte: wie funktionieren schatten? wie lichtreflexe auf wasseroberflächen? wie sieht nebel aus, ist der himmel nachts wirklich blau, wie sieht mondlicht aus, wie indirektes licht bei bewölktem himmel?
gurneys bildbeispiele sind zwar für meinen geschmack zu illustrativ aber sie tun ihren job.
gurney hat übrigens auch ein blog, wo er hin und wieder noch mehr solcher informationen verbrät, aktuell zum beispiel zum thema schwarz.

malerei sei die königsklasse der kunst, sagt man ja. ich kann das bestätigen. nichts ist schwieriger als zu malen und das sage ich nicht bloss, weil ich nach 20 jahren kneten immer schon vorher wusste, worauf es am ende hinaus läuft. beim malen weiss ich das leider nicht die bohne und das ist nicht gerade entspannend. vielleicht ist inside the painter’s studio* ja sowas wie meine selbsthilfegruppe malklasse.

mit grosser wahrscheinlichkeit werde ich aber auch in 20 jahren noch nicht vorher wissen, wie ein bild am ende aussieht und vielleicht ist genau das der grund, wieso ich überhaupt wieder damit angefangen habe.

aus "prostituierte 1-6", öl auf leinwand

* alle amazon-links sind affiliate links