ein atelierbesuch

ein bekannter aus hamburg, auch künstler, ruft an, er sei gerade in berlin, ob ich zeit hätte.
wir verabreden uns bei mir im atelier. ich bin etwas aufgeregt weil ich die neuen arbeiten noch niemandem gezeigt habe. vieles ist unfertig und sowas zeige ich eh ungern.

es klingelt und ich öffne die tür.
der besucher: „neue frisur? voll berlin-style!“
„echt?“
„ja, die haben doch in berlin jetzt alle!“

er hat nicht viel zeit also gehen wir zum wesentlichen über. ich mache tee und er nimmt auf dem sofa platz. ich stelle mich hin, gestikuliere, hole weit aus, erzähle wie das mit den landschaften kam: das bild von mattheuer, die kataloge…
„kataloge? hast du einen da?“
während ich die bilder aufbaue und erzähle, wie das mit den prostituierten kam, blättert er im katalog.

die bilder hätten natürlich viel mit caspar david friedrich zutun, erklärt er mir. aber der habe eben figuren gemalt die auch wirklich IN den landschaften drin stehen. meine sähen aus wie aufgeklebt. wie es denn wäre wenn ich die prostituierten aus den foto-vorlagen einfach ausschneiden und aufkleben würde?
nee, das käme eigentlich nicht in frage, antworte ich.

er meine das garnicht als kritik aber das licht stimme nicht, das sei eher sone bühnen-beleuchtung, die steine und bäume sehen auch aus wie requisiten.
ich stimme ihm zu, versuche zu erklären, dass ich diese künstlichkeit ja gut fände.
bei mattheuer und friedrich wäre das aber natürlich anders, die hätten die landschaften ja nach der natur gemalt und nicht wie ich, nach fotos. die hätten das genau studiert und die könnten eben auch richtig malen.

ein anderer maler der ihm einfiele sei übrigens noch rousseau, der habe auch dieses künstliche licht.
„ja rousseau, ich weiss, finde ich auch ganz toll!“
„ …aber der war eben auch naiv und wurde nicht ernst genommen.“

ich zeige ihm dann die ersten 5 bilder einer ganz neuen reihe und fange wieder an zu erklären während er im mattheuer katalog blättert und dabei völlig abgeht: DAS bild sei ja der wahnsinn! und das! und das!

ich umreisse das konzept: auf der suche nach bildmaterial hätte ich diese internet-partnerbörse entdeckt, die auf basis von multiple-choice-fragen ausrechnet, welche menschen zueinander passen. ich hätte dann angefangen, menschen zu malen, die zu mir passen. völlig wertfrei, frauen und männer. ich will noch etwas zur auswahl der bilder sagen, bin mir aber nicht sicher, ob er zuhört, er liest im katalog.

sein statement zu meinen bildern steht nach 30 sekunden und ist relativ klar: er würde alles anders machen. zwei von den fünf bildern fallen eh raus weil da das keine echten portraits seien. den hintergund würde er komplett weglassen und alle figuren sowieso nur bis zur hüfte malen und wenn dann sowieso ausschliesslich männer.

bei einem gefällt ihm die gardine im hintergrund. ich sage, dass ich hier den hintergrund insgesamt schon relativ stark reduziert hätte, hinter der gardinen hingen beispielsweise noch jalousinen – „JALOUSIEN? und die hast du weggemacht?! mit jalousinen ist das natürlich viel besser! also die hätte ich ja nicht weggemacht! wieso hast du die weggemacht?“

ich versuche zu erläutern, worum es mir geht aber der besucher blättert sofort wieder im katalog.

übrigens hätten die idee partnerbörse natürlich auch schon andere gehabt, erklärt er mir. er zählt ein paar namen auf, ich kenne keinen.
„wie kannst du die denn nicht kennen?!“
zur dingsdabumsta könne er aber gerne den kontakt herstellen, das sei eine freundin von ihm.
von den singlebörsenarbeiten vom zweiten künstler gebe es sogar einen katalog. der sei aber leider vergriffen. er habe aber zum glück noch einen bekommen.
ein renommierter künstler sei das, das müsse er aber auch sein, der stelle schliesslich bei galerie dingstabumsta aus. der sei aber auch ein richtiger maler.

zusammen sehen wir uns ein paar der vorlagen an, die ich in der kontaktbörse gesammelt hab. „DAS ist natürlich grossartig! … DAS ist ja irre! die farben! … warum nimmst du nicht einfach die fotos und stellst DIE aus?“

bei einem foto gerät er komplett aus dem häuschen. „dieses seitlich angeschnittene regal! diese schattierungen hier oben an der wand!“ ich erkläre, dass ich solche feinen details eher weglassen würde, weil es mir nicht darum ginge.
„natürlich geht es darum! wie kannst du das weglassen!? die person könntest du weglassen, der hintergrund sagt alles!“ entrüstet er sich. der sei doch überhaupt das beste am bild! „wie kannst du das nicht sehen?“

weil er aufgrund der lösungsmittel atemprobleme bekommt verlagern wir unseren standort in die küche. wir reden über fotografie, das netz und wie sich alles verändert. ich erwähne mein blog, ob er in letzter zeit mal reingeschaut habe? „nee, er habe leider kaum zeit für internet-sachen“.
das internet sei für meine arbeiten enorm hilfreich, erkläre ich, früher musste man ja tagelang in büchereien nach abbildungen suchen und das mache ich heute in 10 minuten.
überhaupt, dass jetzt jeder publizieren könne, das sei doch fantastisch! naja, entgegnet er, heutzutage hätte sogar der hund von britney spears 12000 follower, ob das nun so eine tolle entwicklung wäre würde er bezweifeln.

er habe jedenfalls überhaupt keine zeit für sowas, facebook und so, und partnerbörsen im internet! grauenhaft! „aber du hast doch deinen freund auch aus ner partnerbörse im internet?“ naja das sei ja was anderes.

nichts desto trotz wäre die sache, die ich da am wickel hätte natürlich schon interessant. auch wenn andere künstler schon die gleiche idee hatten „und das schon vor 10 jahren!“
nee, das sei schon ziemlich doof, entgegne ich. wenn das feld schon so beackert sei würde mir das keinen spass mehr machen. ich könne mich dann eigentlich nur weg bewegen.
das sehe er anders. ich könne doch durch die arbeiten der anderen schliesslich auch was lernen!

während die idee, mit der ich mich die letzten monate beschäftigt hab, also gerade ziemlich baden geht, mache ich mich auf die suche nach irgendeinem hoffungsschimmer.
„diesen selfie-aspekt gibt es dann natürlich noch… aber damit haben ja sicher auch schon etliche künstler vor mir beschäftigt, das thema ist ja im netz total angesagt“
„das glaube ich ehrlich gesagt nicht, dass an dem thema schon andere künstler dran waren“
„wieso?“
„naja weil es total platt ist. aber du kannst dich ja damit befassen.“

ich überlege und sage: „vielleicht sind die landschaften ja doch der bessere weg.“
„zeig mir doch nochmal das mattheuer-bild, das was du so gut fandest!“
ich hole ihm den katalog. er blättert: „das hier ist einfach der wahnsinn! und das! und das! … hier sieht man das nochmal besonders gut, dass der eben wirklich nach dem GESEHENEM gemalt hat. das ist ein unterschied! die kirschen hier am strauch, das fenster, der zaun!… aber er kann eben auch malen, das sieht man!“

er selber habe früher übrigens auch landschaftsfotos gemacht. dabei ginge es auch um das GENAUE HINSEHEN.
„aber landschaftsfotos kann man eh schlecht im atelier machen oder?“
nein, das meine er nicht. es gebe einfach gute landschaftsfotos und schlechte. er habe zum beispiel gerade die bilder von lagerfeld gesehen der auch modelle in seine landschaftsfotos gestellt hat – grau-en-haft sei das gewesen! grau-en-haft!