mein letztes pleinair

als kind hatte ich meine eltern so lange bearbeitet bis das klavier halt angeschafft wurde. als es dann da stand ermahnte mich meine mutter jeden tag, dass ich nun aber auch spielen müsse. ich bekam unterricht, hatte jedoch keine lust zu üben. stattdessen spielte ich einfach immer nur den flohwalzer damit meine mutter dachte, ich übe. 

bis heute hat sich dieses vorgehen bewährt. nichts geht über eine exzellente ausrüstung. und sobald die vorliegt verliere ich das interesse. erst vor ein paar wochen bestellte ich mir so eine ultrateure „pochade box“ in den USA. anschliessend fuhr ich mit dem auto herum um gute pleinair-spots auszukundschaften und besorgte für unseren hund extra einen sonnenschirm. sobald alles angeschafft, abgecheckt und geklärt war stand ich in den feldern lübars unter der glühenden mittagssonne und pinselte komplett motivationslos irgendwas hin. irgendwas fehlte immer noch, irgendwas war falsch. nach 15 minuten brach ich ab und packte alles wieder ein.

so wie vor einem jahr, genau zu dieser zeit, als ich zum pleinair malen extra nach polen gefahren bin, in ein pommersches dorf namens klopotowo

die ersten zwei tage verdaddelte ich mit „vorbereitungen“.

einen ganzen tag lang lief ich herum auf der suche nach einem “guten malspot”. ich konnte mich einfach nicht entscheiden. die gegend war ja wirklich sehr pittoresk aber pittoreskes kann man ja nicht ernsthaft malen! ich war am verzweifeln. „ich fahr doch nicht nach polen und mal rhododendronbüsche.“ 

das licht im hochsommer lässt ja auch alles total flach und scheisse aussehen. gutes licht gibt es dann immer erst nach 18 uhr und da musste ich zum essen.

das buchenwäldchen hinterm haus entdeckte ich spät. uralte buchen entlang eines kleinen moores, vollkommen märchenhaft und verwunschen. märchen sind auf jeden fall mein ding. hier würde ich mich niederlassen. und wieso nicht einfach gleich die ganze woche? genug bäume zum malen gab es hier ja.

ab sofort schulterte ich jeden tag nach dem frühstück meinen rucksack und zuckelte los. wie so eine angestellte nahm ich um 9 den pinsel in die hand und legte ihn um 5 wieder ab. 
dann war ich aber auch wirklich extrem erschöpft. komisch, in ligurien hatte ich doch so eine power, hier im schatten der pommerschen buchen fehlte mir wahrscheinlich einfach vitamin d. jeden tag fiel es mir schwerer, bis 5 uhr durchzuziehen. da ich aber auch nichts besseres zutun hatte biss ich die zähne zusammen.

einer in der malgruppe, die die reise organisiert hatte, ein pensionierter lehrer aus königswusterhausen, fand zwar, dass die landschaften meine BESTEN arbeiten seien, deutete aber auch an, dass er mit meinen übrigen arbeiten eh nichts anfangen konnte. 

mir dagegen wurde immer klarer: mein verhältnis zum pleinair hatte sich irgendwie eingetrübt.
ich hatte mich eh immer schon gefragt, wie ich so komische oldschool landschaftsmalerei mit dem rest meines „werkes“ vergesellschaften sollte. mein früheres ich hätte sich sicher die haare gerauft.

ich sah das draussen malen zwar immer auch eine art performance, aber offiziell konnte es dazu ja nur werden wenn ich es live aufgeführt hätte und soweit ging das nun auch nicht. ich wollte mich ja nicht lustig machen.

eine performance war es insofern, weil es eben auch um den prozess ging. das ergebnis war mir mindestens zweitrangig.
in polen drehte sich das aber zum ersten mal um. die ergebnisse waren mir plötzlich schleierhaft und der prozess fing an, zu nerven. 

gestern hab ich die klopotowo bilder nun wieder hervor geholt um sie endlich zu dokumentieren. und bin immer noch extrem zwiegespalten wie ich sie finde. “interessant” vielleicht.

charlotte*

die letzten jahre hatte ich immer mal gegoogelt, ob ihr werk nicht mal irgendwo wieder gezeigt wird. ab und zu leiht das jüdische museum in amsterdam ja blätter daraus aus. 

beim letzten mal googeln dann ein treffer! münchen! lenbachhaus!

viele künstlerInnen machen sowas ja oft, wegen bestimmter ausstellungen extra irgendwo hin zu reisen. bei mir beschränkte sich das bisher nur auf die documenta und die biennale in venedig. ist ja auch immer eine geldfrage und ich reise eh nicht so gern.

deswegen hatte ich diesen trip dann auch so richtig schön effektiv zusammengekloppt: hinreise donnerstag abend nach der arbeit mit der bahn, übernachtung in bahnhofsnähe, morgens pünktlich um 10 beim museum, wieder zum bahnhof und zurück nach hause. 

in den wochen vor meiner reise machte ich dann in meinem internet noch eine weitere entdeckung: meine alte blog-freundin anke gröner, inzwischen promovierte kunsthistorikerin, arbeitet zur zeit im lenbachhaus! nicht nur dass ich im reallife nichts mehr mitbekomme, online also offenbar auch nicht mehr. 

um es kurz zu machen: die ausstellung ist grandios! DEUTLICH umfangreicher als ich erwartet hatte.
wie oft geht man in ausstellungen wo irgendwelche großen namen auf den plakaten locken und dann hängt da EIN bild. hier hingen 200.

anke gab mir quasi eine einzelführung und war, nachdem sie sich die ausstellung zum sechsten mal ansah, dafür also auch angemessen vorbereitet.

zwei stunden dauerte unser rundgang. wandtexte und eine slideshow, die zeigt, wie die gouachen eigentlich von handgeschriebenen texten auf transparentpapier bedeckt sind, hab ich nur überflogen. wandtexte lese ich in museen eh ungern. meistens fehlt mir dafür die konzentrationsfähigkeit angesichts des erwarteten.

ich musste einfach zu dringend die bilder sehen und das konnte man hier auch wirklich sehr gut. die ausstellung ist in einem unterirdischen zwischengeschoss der u-bahn untergebracht, einer 100 meter langen halle, perfekt passend zur narrativen struktur des werkes. das licht ist ok (also nicht so dunkel wie man es bei papierarbeiten ja oft erlebt) und es nervte auch keine alarmanlage, wenn sich die altersweitsichtigen augen den glaskästen nähern.

und ich möchte hiermit wirklich nochmal allen an malerei interessierten menschen ans herz legen, sich diese bilder im original anzusehen! natürlich ist die webseite des jüdischen museums schon herausragend gut, weil dort wirklich alle 769 gouachen mitsamt transparenter textseiten hochauflösend zu sehen sind. aber ich hab in münchen trotzdem immer noch vieles entdeckt was mir vorher nicht klar war. die farben sind im original auch viel heller und leichter, so viele nouancen gehen einfach unter auf den fotos. auch kann man auf den fotos überhaupt nicht erkennen, wie sie genau gearbeitet hat. im original kann man das aber ganz gut.

ich hatte zum beispiel bisher überhaupt nicht gesehen, dass charlotte* am anfang der chronologie teilweise mit irisierenden pigmenten gearbeitet hat: mit gold und silber, und auch mit mehr als einem blau.

und wenn ihr, wie ich es euch rate, extra wegen dieser fantasischen ausstellung nach münchen reist könnt ihr euch anschliessend ja auch noch die große nicole eisenmann ausstellung im museum brandhorst reinziehen. hab ich zumindest gemacht. ich schreib hierzu gegebenenfalls noch einen extra text, war aber nur so mittel overwhelmed.

nur soviel: hier war die alarmanlage angeschlossen. und als die nach gefühlt mehreren minuten endlich aufhörte zu jaulen hat die aufsicht allen ernstes irgendwo angerufen um durchzugeben, dass es kein anschlag war.

montag bekomme ich übrigens meine neue brille.

* über die namensnennung erzählte mir anke noch, dass das kuratorInnenteam des lenbachhauses sich ausdrücklich dafür entschieden hatte, charlotte im ausstellungstitel nicht auf ihren vornamen zu reduzieren, so wie es viele buchtitel und in andere ausstellungen praktizieren. das lenbachhaus will diesen verkindlichenden ansatz aber vermeiden und dem entgegen wirken. mit der entscheidung für den vollen namen will man im gegenteil auch noch einmal verdeutlichen, dass es sich hier um eine wirklich große und bedeutende künstlerin handelt. 

da stellt sich dann natürlich auch die frage, ob genau dieses prinzip der verkleinerung von künstlerinnen eigentlich ein thing ist. ich hab mal grob gegoogelt und tatsächlich: pablo picasso wird sogut wie nie ausschliesslich “pablo” genannt, wohingegen frida kahlo oft ausschliesslich “frida”. 

insofern möchte ich mich eigentlich gern dem lenbachhaus anschliessen und charlotte ihren nachnamen lassen. nur liebe ich sie halt so sehr und fühle mich ihr so verbunden, dass ich hier heimlich eine ausnahme machen will.

memoiren

seit ein paar monaten arbeite ich an einem etwas längerem text: meinen „memoiren“.

bereits während ich sie schreibe, weiss ich bei manchen kapiteln schon, dass ich sie wieder löschen werde. einfach weil sie für die themen, um die es mir eigentlich geht, irrelevant sind.

weil ich das aber auch irgendwie schade finde poste ich hier jetzt mal ein paar dieser „outtakes“. hier kommt der erste:

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leises gebrüll im weissen raum und die wartemarke

mein neues atelier ist mal wieder eine ziemliche absteige. die wände sind aus pappe und die böden mit braunem packpapier ausgelegt. es gibt keine fenster aber ein riesiges tor, was die eine längsseite des ateliers zur strasse hin öffnet. wenn das tor offen ist steht man praktisch auf der strasse. die passanten könnten herein kommen und damit sie das nicht tun habe ich mehrere lagen aus packpapier von der decke runter gehängt.
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eine ausstellung in venedig

januar

verabredung mit einer sammlerin.
wir besuchen caro, eine gemeinsame freundin, im atelier und die sammlerin erzählt mal wieder von dieser extrem wichtigen ausstellung, die ihr mann, ein maler, die tage in einem der bedeutendsten sammlermuseen venedigs habe, der punta della dogana – und wir müssten selbstverständlich alle kommen! dann könne sie uns auch endlich mal klaus* vorstellen, den new yorker stargaleristen ihres mannes. (mehr …)