Caesar’s Palace

Caesar's Palace, 2011

es soll ja künstlerinnen geben, die einfach so vor sich hin künsteln, ich gehöre nicht dazu. ich brauche einen termin auf den ich hin arbeite, sonst fange ich garnicht erst an. für ein größeres projekt brauche ich für gewöhnlich 8 wochen. und weil ich eigentlich eine große prokrastiniererin bin plane ich die auch auf den tag genau durch.

der termin für „Rum Traube Nuss“ im westwerk stand schon seit über einem jahr fest. pitt und ich hatten uns dort beworben, um eine gemeinschaftsarbeit umzusetzen, was dank der ablehnung der kulturstiftung aber nicht klappte.
übrig blieb der termin.

die arbeit an „Caesar’s Palace“ verlief schleppend. nach der ausstellung im „Oelfrüh“ im april, die extrem schlecht besucht war, und der ablehnung bei der kulturstiftung, schob ich spontan noch eine bewerbung dazwischen, die sich zeitaufwendig gestaltete und ebenfalls abgelehnt wurde. die luft war also erstmal raus.

während der ersten woche, die für die ideen-entwicklung vorgesehen war, entwickelte ich keine einzige idee. auch in den folgenden drei wochen dachte ich über alles mögliche nach, nur nicht über die nächste arbeit. einen monat vor der eröffnung hatte ich immer noch keinen schimmer.

ich fuhr ins atelier um aufzuräumen. reparierte abgefallene nasen, malte ein paar aquarelle und kaufte blumensäulen. die meiste zeit verbrachte ich aber bei meinem ateliernachbarn auf dem sofa, wo ich auch dessen gong entdeckte.
immerhin war jetzt klar: dieser gong musste in die arbeit.

 

Caesar's Palace, 2011 (detail)

ich ging hin und wieder zu eröffnungen ins westwerk, setzte mich dort für zehn minuten in eine ecke und versuchte zu denken.
die ersten bilder, die mir in den kopf kamen waren aus der fernsehserie lost. vielleicht ein riesiges fangnetz aus knete? ich schau eindeutig zuviel fernsehen.

etwas würde jedoch von der decke hängen müssen. ein vorhang vielleicht, einen vorhang kann man zusammenfalten.
vielleicht so wie in „Twin Peaks“ (schon wieder fernsehen!) wo die traumsequenzen immer in einem diffusen wandlosen raum aus vorhängen spielen?
dabei sollte es bleiben.

Caesar's Palace, 2011 (detail)

als vier wochen gedankenlose denkphase rum waren und ich abends nach 8 stunden nichtstun aus dem atelier kam nahm ich den bus. das mache ich immer, wenn ich auf ideensuche bin. ich setze mich dann ans fenster, steck die stöpsel in die ohren und fahr eine geschlagene dreiviertelstunde durch die stadt.

ungefähr auf höhe des museums für hamburgische geschichte machte es klong. ich hatte es raus.

Caesar's Palace, 2011 (detail)

dass mein atelier zu klein ist, um größere installationen darin testweise aufzubauen, hat den vorteil dass die eigentlichen probleme dadurch meist erst beim aufbau auftreten und man wenigstens bis dahin noch seine ruhe hat. ausserdem steigert es die spannung wenn man die eigene arbeit am eröffnungabend auch zum ersten mal sieht.

die plastische umsetzung im atelier verlief problemlos. das aufwendige waren die mechanischen und technischen elemente und die synchronisation:
die idee war, gong und augenaufschlag so zu takten, dass alle 2 minuten der gong schlägt und eine viertelsekunde später die augen aufschlagen.

alle, denen ich das erzählte, wünschten viel spass. ohne eine computersteuerung sei das nicht möglich. allein der loop des augenaufschlag-filmes würde im übergang verzögerungen verursachen, die nicht kalkulierbar seien.
ich beschloss also, einen 5-stündigen film zu drehen, etwa so lang, wie die eröffnung dauern würde. das müsste doch hinhauen.

Caesar's Palace, 2011 (detail)

um die exakte zeit des gongschlag-intervalls zu ermitteln musste ich den gongschlag filmen. der zeitliche intervall betrug hier genau 2 minuten und 4 frames. ich stückelte also einen 5-stündigen film aus 150 clips à 2 minuten und 4 frames.
zwei tage vor der vernissage testete ich das resultat. nach einer halben stunde öffneten sich die augen bereits vor dem gongschlag.

was ich in meinem ausgeklügelten zeitmanagement zu berücksichtigen vergessen hatte war der film-export. das exportieren und konvertieren meines 5-stunden-eposses dauerte 15 stunden.
die version, die am eröffnungsabend lief, wurde in den kommenden tagen und nächten noch vier mal überarbeitet.
am letzten ausstellungstag lief erstmals die finale version.

Caesar's Palace, 2011 (detail)

im westwerk ist es üblich, dass die künstlerinnen ihre ausstellung selbst beaufsichtigen. einerseits kann man sich natürlich was besseres vorstellen, als leuten zu erkären, dass es unüblich ist, kunst anzufassen.
ein besucher schubste seine begleitung beispielsweise mal spasseshalber gegen den vorhang. vor schreck und sprachlosigkeit schrie ich einfach laut auf. der entrüstete kommentar des besuchers:
“reagieren sie auch so wenn man ihnen auf der strasse einen parkplatz wegschnappt?” (ich hab ihn bis heute nicht kapiert.)

Caesar's Palace, 2011

dann gab es wieder passanten, die nur kurz durchhuschten (“meine freundin hat mir diese ausstellung empfohlen. aber hier gibts ja garnichts zu sehen!”) andere kamen öfter, stellten fragen. manche blieben stundenlang, liefen immer zwischen gongschlag und augenaufschlag hin und her.
manche rieten mir dazu, denen, die die 2 minuten bis zum augenaufschlag nicht abwarten konnten, doch bescheid zu geben: da käme noch was.

es heisst ja, dass ausstellungsbesucher im durchschitt 1 sekunde vor einer künstlerischen arbeit verweilen. sogesehen könnte „Caesar’s Palace“ vielleicht auch ein versuch sein, da noch was rauszuholen.