neue zipfel

merkwürdiges gefühl, wieder zipfel zu kneten. vor 8 jahren hab ich das schonmal gemacht. 50 000 zipfel waren das damals ungefähr. hatte mich in der zeitlichen kalkulation etwas verschätzt, musste das zipfel kneten deswegen nachts erledigen. tagsüber im atelier aufstellen und zurechtbiegen, nachts neue herstellen. um dabei vor eintönigkeit nicht wahnsinnig zu werden sah ich dabei soviel fern wie nie zuvor in meinem leben. zwei oder drei monate dauerte das und wurde so auch exakt am abend vor der vernissage fertig und zum glück sofort verkauft und daraufhin im rahmen der dauerausstellung eines rennomierten hamburger sammlers gezeigt. dort dümpelte es ein paar jahre vor sich hin und erarbeitete sich, wie man mir berichtete, wohl auch einen gewissen beliebtheitsstatus, zerfiel dabei aber auch langsam in seine einzelteile.

da war er also wieder: der haken, den ich bei meinen arbeiten damals serienmässig mitlieferte. unabsichtlich zwar, aber vielleicht auch absichtlich unabsichtlich. die wahl eines immerweichen materials und die fehlende berücksichtigung der fragen nach der transportierbarkeit und der konservierung ermöglichte kaum einen auf- oder abbau ohne mein beisein.
wieso mir diese pragmatischen aspekte allerdings so egal waren, warum ich mich nie darum gekümmert hatte, dass die dinge ein paar mehr jahre überstehen könnten, ohne dass ich alle nase lang irgendwo anreisen musste, um zerdrücktes oder zerfallenes wieder zusammenzudrücken – ist mir bis heute nicht klar. vielleicht kann man ja mit glück noch die ausbilder dafür verantwortlich machen: die hatten schliesslich diesen trend, alles kommerzielle unbedingt links liegen zu lassen, sagen wir mal: befürwortet. galeriekunst war ein schimpfwort. und ich artiges mädchen hab eh alles geglaubt.

schön blöd, schliesslich war es ausschliesslich ichselbst, die unter den konsequenzen zu leiden hatte. nicht dass ich schlecht verkauft hätte – aber ich hätte besser verkaufen können. und vor allem: ich wäre den kram auch WIRKLICH los geworden, ohne alle nase lang irgendwo anreisen zu müssen um abgefallene ohren wieder anzudrücken.
das schlimmste aber: halbwegs fähige galeristen, die rechnen konnten liessen die finger von meinen arbeiten. wenn der transport schon um längen mehr kostet als die arbeit selbst, wenn selbst bei jeder popeligen gruppenausstellung, bei jedem verkauf, die künstlerin immer mit anreisen muss – das sollte einem schon zu denken geben. und doch: hätte ich nichts dringender gebraucht, als jemanden, der mir das feilschen mit den sammlern und das anschliessende hinter den raten hergerenne vom hals gehalten hätte.

als der anruf kam, das kornfeld solle abgebaut werden, machte ich vielleicht den ersten schritt in die richtige richtung und stellte fest: wenn man das feld nicht allzu schwer beschädigen wolle sei der abbau ohne mich beinahe unmöglich. aber ohne bezahlung würde ich auch nicht wieder anrücken. mir war klar, dass diese möglichkeit vom sammler nicht vorgesehen war. ich bemühte mich also, den ablauf am telefon so genau wie möglich zu erklären, und gab mich damit zufrieden. ich hatte die arbeit damals zu einem angemessenen preis verkauft, mehrere jahre war das kornfeld in dieser ausstellung umgeben von polke und richter gezeigt worden – etwas besseres hätte mir nicht passieren können. aber ich wollte auch nicht den rest meines lebens unentgeldlich meine alten arbeiten betüdeln müssen.

8 jahre später also. ich knete zipfel und mir tun schon wieder die hände weh. alles genau wie damals. vielleicht bin ich inzwischen ein bischen geschickter aber vor allem: klüger. nicht dass mir wirklich klar wäre, wo das hier gerade hinführt. aber eine ahnung zu haben ist ja schon mehr, als man sich wünschen kann.
sicher bin ich mir nur bei der art des anknüpfens an das alte kornfeld. denn so sehr ich auch um die alte arbeit trauere, die ich warscheinlich nie wieder sehen werde, um mein eigenes scheitern, meine alte sorglosigkeit: die verbindung zur neuen arbeit besteht nur in einem zitat. ein altes bild, was ich benutze, das jetzt wie ein leeres haus mit offenen türen dasteht, und ich bahne mir dahinter einen neuen kleinen pfad in eine neue zeit.

kornfeld 2009