Mehr Abstecher ins Urheberrecht

Liebe Katja Kelm,

Sie sind auf ein Banner – „Von Kunstausstellungen leben viele – nur Künstlerinnen und Künstler nicht“ – gestoßen, das von uns, dem bbk berlin stammt.

Dieses Banner hat Sie zu umfangreichen Reflexionen über das Urheberrecht und über die Ausstellungsvergütung veranlasst, mit denen wir uns auseinandersetzen wollen. Wir glauben das zu dürfen, nachdem wir der Anlass zu Ihren Überlegungen waren, wir müssen es, weil wir weder der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler noch ver.di sind und nicht mit jeder dortigen Äußerung zu Urheberrecht und Ausstellungsvergütung identifiziert werden wollen.

Vergütungsansprüche dafür, dass eine Bildende Künstlerin oder ein Bildender Künstler Werke für eine öffentlich zugängliche Ausstellung zur Verfügung stellt, sind entweder gerechtfertigt oder sind es nicht. Deutsche Gesetzgeber sind seit etwa 120 Jahren der Auffassung, sie seien es im Prinzip nicht. Der Urheber oder die Urheberin eines Werkes der Bildenden Kunst hat, nachdem eines ihrer/seiner Werke überhaupt erst einmal ausgestellt worden ist, keine Möglichkeit mehr, weitere Ausstellungen zu verhindern oder aber eben von der Zahlung von Vergütungen abhängig zu machen. Der Gesetzgeber argumentierte bisher ähnlich, wie Sie es teilweise auch tun: Der Künstler, die Künstlerin lebt vom Verkauf der Werke, jede Ausstellung ist Werbung dafür. Die Gegenposition ist: Ein Bildender Künstler, eine Bildende Künstlerin, der oder die ein Werk für eine Ausstellung zur Verfügung stellt, erbringt eine Leistung, für die er/sie eine Gegenleistung erwarten kann. Gewiss hat ein Autor ein Manuskript einmal an einen Verlag verkauft, ein Komponist ebenfalls. Dennoch werden Schriftsteller und Komponisten an jedem weiteren Werkverkauf, an jeder weiteren Aufführung, an jeder weiteren Wiedergabe ihres Werkes finanziell beteiligt. Auf diese finanzielle Beteiligung haben sie einen Rechtsanspruch. Urheberinnen und Urheber sollen nämlich an den wirtschaftlichen Ergebnissen ihrer Werke angemessen beteiligt werden.

Warum soll das für Bildende Künstlerinnen und Künstler nicht gelten? Der öffentliche, gemeinnützige und private Ausstellungsbetrieb ist doch wohl als erheblicher Wirtschaftfaktor zu betrachten! Mit dem Hinweis auf die Werbewirkung einer Nutzung eines Werkes könnte jeder Honoraranspruch für künstlerische Leistungen glatt abgestritten werden. Zwar mag mit dem Auftritt einer Band in einer Kneipe, einem Jugendclub oder einem Konzertsaal für sie auch ein Werbeeffekt verbunden sein – sie würde normalerweise dennoch nicht auf die Idee kommen, auf ihren Honoraranspruch zu verzichten, wie auch keiner auf die Idee käme, ihn im Grundsatz zu bestreiten. Damit ist über die Höhe des Anspruchs ja noch nichts gesagt.
Kein Musiker würde die Auffassung vertreten, es sollte überhaupt keine Honorare für Musikdarbietungen mehr geben, damit mehr Konzerte stattfinden können.

Wenn man sich aber darüber einig ist, dass Vergütungsansprüche für Bildende Künstlerinnen und Künstler für die Nutzung Ihrer Werke in Ausstellungen an sich gerechtfertigt sind, sollte man sich durch Reflexionen über Randfragen nicht selbst wieder in Verwirrung stürzen. Natürlich mag es sein, dass ein Komponist ein Werk auch für ein Hauskonzert mit guten Freundinnen und Freunden oder für einen gemeinnützigen Zweck zur Verfügung stellen möchte. Dafür finden sich ja auch Lösungen. Er würde aber nicht im Entferntesten auf die Idee kommen, grundsätzlich und für alle Fälle und für jede Nutzung auf einen Honorar- und Vergütungsanspruch für die Nutzung seiner künstlerischen Leistungen überhaupt zu verzichten. Auf solche Ideen können, wenn Sie die persönliche Bemerkung nachsehen wollen, wirklich nur Bildende Künstlerinnen und Künstler kommen.

Natürlich macht jeder die Beobachtung, dass die tatsächlichen Markt- und Machtverhältnisse die Durchsetzung von Vergütungs- oder Honoraransprüchen für Bildende Künstlerinnen und Künstler fast unmöglich machen. Im Zusammenhang mit Kunstausstellungen ist sogar, wie Sie es ja auch selbst schildern, die perverse Situation zu beobachten, dass die Künstlerinnen und Künstler noch nicht einmal bezahlt werden, wenn sie Ausstellungskonzeptionen erarbeiten oder ihre Werke selbst transportieren, rahmen oder aufhängen. Jeder andere, der diese Arbeiten ausführt, wird für sie ganz selbstverständlich bezahlt.

Zurück zur Ausstellungsvergütung:

Warum soll eine gesetzliche Neuregelung nicht wirken? Sie haben daran Zweifel, obwohl Sie doch am Schluss Ihrer Überlegungen selbst australische oder kanadische Modelle anführen, die doch auch auf einem respektierten Anspruch darauf beruhen, dass die Leistungen, die ein Künstler mit der Zur-Verfügung-Stellung eines Werkes für eine Ausstellung erbringt, auch bezahlt werden müssen.

Gesetzliche Regelungen, um den schwächeren Marktteilnehmer vor dem stärkeren Marktteilnehmer zu schützen und dafür zu sorgen, dass er zu seinem Recht und ggf. auch zu seinem Geld kommt, sind doch an sich weder ungewöhnlich noch unwirksam. Das Verbot von Kinderarbeit war immerhin durchsetzbar. Es gibt ein wirksames Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften. Es gibt ausführliche gesetzliche und auch sehr wohl wirksame Regelungen zum Mieterschutz. Das ganze Urheberrecht soll seiner Intention nach die faktisch immer schwachen Urheber vor den starken Verwertern schützen bzw. dafür sorgen, dass die Produzenten geistiger Leistungen am wirtschaftlichen Ertrag dieser Leistungen auch tatsächlich und angemessen beteiligt werden. Das hat für die meisten anderen Sparten der Kunst und der Publizistik im übrigen auch immer leidlich funktioniert und wird doch auch durch das Internet nicht im Prinzip in Frage gestellt.

Zur Wirksamkeit würde dann allerdings auch gehören, einen entsprechenden Vergütungsanspruch im Prinzip unverzichtbar zu machen. Könnte auf ihn verzichtet werden, würde die Marktmacht der Verwerter sofort dafür sorgen, dass sich an der bestehenden Situation überhaupt nichts ändert. Damit wäre ja offensichtlich wenig geholfen.

Dass hingegen der Kunsthandel selbst keiner Verpflichtung unterliegen sollte und darf, Ausstellungshonorare zu zahlen ist doch ganz einleuchtend. Das hat auch mit der wirtschaftlichen Stärke von Institutionen nichts zu tun, sondern mit der Funktion gewerblicher Galerien. Ihre Ausstellungen sind Verkaufsausstellungen. Seriöse Galerien organisieren professionell Werbung und Vertrieb. Sie sind im Idealfall der professionelle Vertriebs- und Verkaufspartner für die Künstlerinnen und den Künstler. Anders als eine Institution des Ausstellungsbetriebs lebt auch die gewerbliche Galerie vom Verkauf der Kunstwerke, nicht von der Ausstellung selbst. Deshalb ist es ganz logisch, wenn sie nicht dazu verpflichtet werden kann, Ausstellungsvergütungen zu zahlen.

Sehr gut nachvollziehen können wir Ihre Bedenken gegen andere vom Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler publizierte Vorschläge. Auch wir können nicht einsehen, weshalb Ausstellungsvergütungen nach einer Reform des Urheberrechtes nur von Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden können sollten. Jeder Künstler, jede Künstlerin steht zwangsläufig bei fast jeder Ausstellung in unmittelbarem Kontakt mit der ausstellenden Institution und ihren Vertreterinnen und Vertretern, wenn er bzw. sie seine/ihre Werke noch selbst besitzt. Es gibt überhaupt keinen vernünftigen Grund, weshalb, besteht ein unverzichtbarer Anspruch auf eine Ausstellungsvergütung, die Künstlerin oder der Künstler nicht auch selbst über seine Ausstellungsvergütung verhandeln soll. Wenn er freiwillig eine Verwertungsgesellschaft mit der Geltendmachung seines Anspruches beauftragen will, sollte er oder sie daran natürlich nicht gehindert sein. Ein Zwang ist aber überflüssig.

Sinnvoll könnte ein Verwertungsgesellschaftszwang nur in den Fällen sein, in denen der Verkauf von Kunstwerken schon sehr lange zurückliegt und in den meisten Fällen der Urheber selbst gar nicht mehr am Leben ist, sondern die Urheberrechte bei womöglich verstreuten Erbengemeinschaften liegen können. In diesen wirtschaftlich im übrigen sehr bedeutsamen Fällen ist ein Verwertungsgesellschaftszwang offenkundig nicht nur sinnvoll, sondern sogar notwendig, weil die Museen und Sammlungen sich ansonsten mit einer für sie praktisch nicht mehr seriös zu bearbeitenden Unzahl unterschiedlichster und verstreutester Ansprüche konfrontiert sähen. Über den Verwertungsgesellschaftszwang hat es zwischen den Künstlerverbänden Auseinandersetzungen gegeben. Ausstellungsvergütungen sollen, da haben Sie ganz recht, den Künstlerinnen und Künstlern selbst, nicht den Verwertungsgesellschaften nützen.

Nur vor dem Hintergrund dieser Diskussion ist im übrigen auch die auch bei Ihnen Verwirrung stiftende Unterscheidung zwischen „Ausstellungsvergütung“ und „Ausstellungshonorar“ zu verstehen. An sich ist sie völlig überflüssig. Mit „Ausstellungshonorar“ ist hier nur gemeint, dass natürlich jeder Künstler, jede Künstlerin, die sich noch im Besitz ihrer Werke befindet, weigern könnte, diese Kunstwerke für eine Ausstellung zur Verfügung zu stellen. Das Ausleihen dieser Werke könnte man sich als Künstlerin oder Künstler also durchaus bezahlen lassen. Dafür bedarf es keine Änderung des Urheberrechtes, weil hier ein rein zivilrechtlicher aus dem Eigentum herrührender Anspruch geltend gemacht würde. Das Problem ist nur: Die ja nun schon mehrfach angesprochene Markt- und Machtverteilungssituation zwischen dem Künstler oder der Künstlerin und den Ausstellungsinstitutionen macht die Durchsetzung solcher Forderungen unmöglich. Seit nunmehr über 40 Jahren konnten sich Honoraransprüche auf zivilrechtlicher Basis nicht durchsetzen. Eben deshalb ist ja eine Änderung des Urheberrechtes erforderlich! Wir können nur ganz herzlich darum bitten, für diesen verwirrenden Unfug nicht verantwortlich gemacht zu werden.

Der bbk berlin veranstaltet im übrigen keine Ausstellungen. Wir verstehen uns als Interessensvertreter und Dienstleister für Künstlerinnen und Künstler.

Berlin, 17.08.09
Bernhard Kotowski