ich bin ja keine kamera

seit „inside the painter“s studio“ träume ich davon, ne interviewreihe mit befreundeten berliner malerinnen zu machen. nach meinem grossen lexikon projekt, das schon bei A wieder einschlief, tue mich aber etwas schwer, irgendwelche neuen „serien“ anzukündigen, ich bin offenbar doch eher so der einzelstück-tüp.
deswegen fang ich jetzt einfach mal an. kann sein dass dies das einzige interviw bleibt, kann sein, dass noch welche kommen.

henrieke ribbe ist malerin. sie ist 35, in hämelerwald bei hannover aufgewachsen und hat wie ich in hamburg studiert. seit 2006 lebt sie in berlin, zusammen mit ihrem mann jake basker und ihrer tochter.
ich besuche sie in ihrem atelier, wie meins ist auch ihres eine wohnung mit tüpischer berliner altbau-schlauchform.
an der einrichtung erkennt man schonmal was henrieke definitiv nicht ist: eine poserin. alles ist eher provisorisch und praktisch-funktional. der malraum wird zur hälfte okkupiert von einem ausrangierten bettgestell, einem sitzball und einem riesenhaften pappkarton, offenbar ne höhle von henriekes tochter. malen tut sie in der hinteren linken ecke an ner einfachen boesner staffelei.

atelieransichten mit der "katerfamilie" von henrieke ribbe, 2014

atelieransicht mit der "katerfamilie" von henrieke ribbe, 2014

henrieke schlägt vor, ich könnte das ganze ja schreiben wie die PR-geschichten homestories bei freunde von freunden: „hier sehen sie die energiegeladene künstlerin in ihrer lichtdurchfluteten loft-küche wie sie pancakes brät, hier kommt sie auf ihrem coolen bike im atelier angeflogen…“ aber dafür ist ihr atelier wohl doch eine spur zu echt.

die wände sind aus platzgründen bis ins klo hinein gepflastert mit bildern aus dem aktuellen projekt „katerfamilie“: eine 100-teilige serie in öl auf leinwand, je 60 x 50 cm, enstanden seit februar letzten jahres und noch nicht abgeschlossen. es handelt sich dabei um portraits aller mitarbeiter des berliner szene-clubs „kater holzig“.

henrieke bittet mich platz zu nehmen, damit sie mich malen kann und das interview beginnt.

aber ich arbeite doch garnicht im kater holzig!?

das macht garnichts! ich arbeite parallel auch an der serie “alle die nicht im kater holzig arbeiten”.

[ich nehme platz und henrieke fängt sofort an zu malen, ohne kittel, ohne handschuhe, einfach los.]

ok, wann hast du dich das erste mal als professionelle künstlerin gesehen? arbeitest du vollzeit? *

ich habe jeden tag zweifel, ob ich überhaupt künstlerin bin. und ich zweifle auch immer noch, ob es die richtige entscheidung war. wenn ich die nicht hätte könnte ich viel produktiver sein aber das hinterfragen ist ja wohl auch teil der arbeit. ich kenne künstler, bei denen ich immer denke „wow, wie machen die das?“ die sind so professionell, immer gut gelaunt, ziehen ihr ding durch. vielleicht haben die aber auch einfach gute stategien, die zweifel zu verstecken.
ich wollte schon immer malerin werden. schon als kind. ich hatte glück dass meine eltern mich da haben machen lassen, mein vater hat gesagt „du kannst studieren was dir spass macht“ und das hab ich dann gemacht.

dass ich vollzeit arbeite möchte ich nicht behaupten, ich würde es eher als teilzeit bezeichnen. ich bin ja auch mutter. in der regel arbeite ich so von 10 bis 16 uhr, in der zeit in der meine tochter in der kita ist. am wochenende arbeite ich selten.

kannst du von deiner arbeit leben?

früher mal. gleich nach dem studium. während des studiums hatte ich schon erste einzelausstellungen bei einer berliner galerie, die auch ganz gut verkauft hat. die hat dann zugemacht aber ich bin schon vorher weggegangen, es gab da so leichte differenzen [lacht].

wie lange hast du dein atelier?

seit ende 2012. vorher war ich an der prenzlauer promenade und seit knapp 2 jahren hab ich jetzt diese 1-zimmer wohnung im erdgeschoss, unsere wohnung ist hier auch im haus, ganz oben.

bevor du eingezogen bist, hast du dir nen plan gemacht wo was sein soll?

nein, das hätte ich mal machen sollen. ich hab nur neu gestrichen und einmal durchgewischt… das war seitdem aber auch das letzte mal, dass ich gewischt hab.

räumst du dein atelier regelmässig auf und machst sauber?

ich finde es schon wichtig, es schön im atelier zu haben, dass man sich auch wohlfühlt. mich nervt der dreck irgendwann. hin und wieder räum ich auch mal auf, zumindest wenn besuch kommt [schaut sich verlegen um, lacht].
bisher hab ich hier hauptsächlich dieses eine grosse projekt gemacht und deswegen ist es momentan auch nicht nur ein atelier, wo gearbeitet wird, sondern auch ein sozialer ort. es kommen ja jeden tag leute, trinken mit mir tee und werden gemalt. dafür muss es eben auch ein bischen gemütlich sein.

arbeitest du ausschliesslich an der staffelei?

hauptsächlich ja. aber für eine neue arbeit, eine malerei-installation mit den „3 hamburger frauen“ [die zur zeit beim bremer kunstfrühling gezeigt wird] hab ich grössere formate auch mal an der wand gemalt, also die leinwände an die wand getackert.
die staffelei hat wohl auch immer noch was mit meiner frühkindlichen vorstellung einer malerin zutun.

hat dieses atelier als ort deine arbeit in irgendeiner weise beeinflusst?

dadurch, dass wir im selben haus wohnen kann ich hier am tag bis zu 3 leute malen. zwischendurch geh ich dann auch mal hoch, pause machen, was essen, und sogesehen war dies natürlich auch eine voraussetzung, die katerfamilie auf diese weise machen zu können.

wie verläuft ein typischer alltag-tag bei dir?

ich steh jeden morgen um 8 uhr auf, koch kaffee, mach pancakes und bring unsere tochter zur kita. ich bin eher ein morgenmensch.
dann wünschte ich mir, dass ich ins atelier kommen würde. meistens geh ich dann aber nochmal in die wohnung, dusch, check mails, mach facebook, räum die küche auf und verdaddel die zeit… leider neige ich auf jeden fall auch zur prokrastination und bin eher der typ, der ne deadline braucht, um gut arbeiten zu können. deswegen ist es gut, wenn ich, wie bei diesem projekt, feste termine habe, weil ich dadurch mehr struktur in den arbeitsrythmus bekomme.
der erste termin ist dann meistens um 11, der nächste um 13 und der dritte um 17 uhr. so bin ich auf jeden fall um 10 im atelier und es ist egal wie die bude oben aussieht.

henrieke ribbe malt mich in ihrem atelier, 2014

jetzt mal zur katerfamilie: wie bist du auf die idee gekommen und was hat der club kater holzig überhaupt mit dir zutun?

mit dem kater holzig zutun hab ich in erster linie durch meinen mann, jake, der dort als DJ arbeitet. die idee hatte am anfang eigentlich ganz pragmatische hintergründe. unsere tochter ist jetzt 5 und nach der geburt haben sich unsere wege mit der zeit auch son bischen getrennt. es war nicht immer einfach, das alles so zu koordinieren mit meiner arbeit, seiner und der familie und es gab einen punkt, wo jake und ich uns auch nicht viel gesehen haben. jake hat viel zeit ausserhalb verbracht, im kater und in den clubs, in denen er arbeitet, während ich die meiste zeit hier war, mit dem kind oben in der wohnung oder im atelier. um das zu ändern hab ich das projekt dann mit jakes hilfe entwickelt. das ganze ist also auch so ne art familienzusammenführung, damit wir alle wieder mehr zeit miteinander verbringen konnten und unsere zwei welten sind wieder mehr miteinander verschmolzen.
es geht also nicht nur um die “katerfamilie”, sondern auch ein bischen um meine eigene.

mit der zeit hab ich durch das projekt dann auch die ganzen leute kennengelernt, mit denen jake so zutun hat. ich kenn seine szene jetzt fast besser als er weil ich mich mit den leuten ja intensiver auseinandersetze und rede. im club vorm lautsprecher kannste dich ja nicht wirklich unterhalten. ich kenn deren familien, ich weiss wo sie herkommen, was die studiert haben, warum die nach berlin gekommen sind und sowas alles. beim malen hab ich die leute immer auch n bischen ausgefragt, weil mich das natürlich interessiert, wer das ist, den ich da mal.

familie und freunde stehen bei mir immer im vordergrund, auch in den arbeiten, das spielt ja auch bei den 3 hamburger frauen eine rolle.
mir wird schnell auch mal etwas einsam, den ganzen tag allein im atelier, da passte es gut, dass ich durch das projekt plötzlich so viele besucher hatte. dieses format, also die bedingungen, unter denen diese arbeit entstanden ist, seine soziale komponente und die zeitliche struktur passen einfach gut zu mir.

war es denn von anfang an klar, dass du 100 kater-portraits malen würdest oder wie hat sich das entwickelt?

die erste idee war, nur die „runner“ zu portraitieren. das sind die, die den club so am laufen halten, die man sonst nicht so sieht, die im backstage arbeiten, flaschen einsammeln, das geld abholen, neue flaschen bringen, die kühlschränke nachfüllen, lauter so sachen. so ein sozialer blick auf clubkultur.
später hat sich das dann ausgeweitet und ich beschloss, alle 100 mitarbeiter zu portraitieren. 94 hab ich jetzt fertig und 6 fehlen noch.

jake wurde dann sozusagen mein booker. er hat die leute angerufen und termine gemacht und das war ganz schön aufwendig. ich hatte ja bis zu 3 termine am tag, jede malsession ging 2 stunden. oft musste man den leuten hinterher telefonieren oder die kamen einfach nicht. dann hat man vielleicht irgendwo angerufen „ach ich bin grad aufgestanden, nagut dann komm ich jetzt mal…“

henrieke ribbe in ihrem atelier, 2014

spielt denn die schliessung vom kater holzig und der anstehende umzug auch irgendeine rolle?

als ich mit den portraits begann war schon klar, dass die da bald raus mussten und es ging mir schon auch darum, zu archivieren und irgendwie festzuhalten, wer beim kater mitgemacht hat. sicher werden viele von den alten leuten mitgehen aber es wird schon ne neue zusammenstellung geben und es heisst im neuen haus dann auch nicht mehr kater holzig.

was wird denn jetzt mit der „katerfamilie“ geschehen? kann man die portraits kaufen?

ich würde mir wünschen, dass die serie zusammenbleibt und eine person oder institution sie komplett übernimmt. ich könnte mir vorstellen, dass die arbeit an den neuen ort, dem holzmarkt, wo der kater hinzieht, mitgenommen wird und dort als permanente installation ausgestellt wird. in memoriam an den alten kater.

wie ist das denn mit den portraitierten leuten: erwarten die eigentlich dass das bild ihnen dann am ende ähnlich sieht?

ja, schon.

und du? versuchst du die erwartung dann zu erfüllen bzw. ist dir das wichtig?

ja schon, ich geb mir auf jeden fall mühe.

und klappt das dann auch immer?

nee [lacht]
manchmal passiert es mir zum beispiel, dass sich das malen plötzlich verselbständigt: dann erinnert mich das portrait vielleicht an ein bild von egon schiele und dann wird mir die erinnerung an ein anderes bild plötzlich wichtiger als mein modell. dann wird das bild als eigenständige arbeit wichtiger als etwa die ähnlichkeit.
am schwierigsten sind immer die leute total toll aussehen, also so bildschöne gesichter, alles symmetrisch und so. die bekommt man selten hin. das ist dann milimeterarbeit.

und wenn das bild dem portraitierten dann am ende nicht so ähnlich sieht, wie reagieren die leute dann?

naja, die sind dann schon enttäuscht. es gibt eh nur sehr wenige, die am ende total begeistert reagieren. das liegt aber vielleicht auch nicht so sehr an mir bzw. dem bild. manche sind vielleicht auch eh nicht so die leidenschaftlichen spiegelkucker.

und was sagst du denen dann, wenn die dann sagen „das bin ja garnicht ich!“?

dann sag ich, dass es stimmt, aber ich bin ja keine kamera. ich sage, dass es malerei ist und eben auch mein eigenes unvermögen. dass es leider nicht besser hinzukrigen war. [lacht]

ok, dann nochmal zu was anderem. mich würde interessieren: du bist ja seit 5 jahren mutter. hat das und wenn ja wie hat das deine karriere beeinflusst?

naja das fing natürlich schon mit der schwangerschaft an. da hab ich schon angefangen, mich etwas mehr zurück zu ziehen. man wird schon auch angekuckt, wenn man plötzlich mit so ner dicken kolle auf ne ausstellung kommt und dann noch nichtmal mehr was trinkt! [lacht]
damit fängt es ja an.
dann kommt das kind und man ist erstmal total absorbiert und mit völlig anderen dingen beschäftigt als kunst.

dann stellen sich rollenfragen: die eigene rolle muss ja komplett neu definiert werden. die rolle als künstlerin ist erstmal weg, man ist plötzlich erstmal nur noch mutter und hausfrau und es fühlt sich so an, als ob das bisherige leben abrupt aufgehört hätte. als on man plötzlich jemand vollkommen anderes ist. damit muss man natürlich erstmal klarkommen bzw. sich einen weg wieder dahin zurück bahnen, wo man wieder der ist, der man sein will. in meinem fall künstlerin.

und natürlich hört man dann auch überall „ach du bist jetzt mutter? dann ist das mit der kunst ja jetzt vorbei“ was ja nicht gerade hilfreich ist.
andererseits ist da aber ja auch was dran, ich mein: meine prioritäten haben sich durch die geburt meiner tocher natürlich auch verändert. die kunst ist mir schon n bischen egaler geworden. das heisst aber nicht, dass ich sie aufgegeben hab oder dass ich nicht mehr ehrgeizig bin.

man hat schon das gefühl, dass man in den augen der szene irgendwie verkackt hat.
damals hatte ich das gefühl, ich hätte mich durch das mutterwerden selber raus katapultiert. nicht, weil ich das wollte, sondern weil es so gesehen wurde.

durch das goldrausch-stipendium, was ich letztes jahr hatte, hat sich das dann zum ersten mal wieder n bischen relativiert. goldrausch ist ja ein frauennetzwerk und die geben dir natürlich nicht das gefühl, „raus“ zu sein. die beiden frauen, die das leiten, haben auch beide kinder.
insgesamt hab ich jedenfalls schon den eindruck, das muttersein und der kunstbetrieb etwas ziemlich gegensätzliches sind.

henrieke ribbe in ihrem atelier, 2014

danke für das gespräch!

* die ersten fragen stammen alle aus dem buch „inside a painter’s studio“. später habe ich sie dann variiert weil sie mich plötzlich nicht mehr so interessierten.

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webseite der 3 hamburger frauen, ein gemeinsames projekt von henrieke ribbe, ergül cengiz und kathrin wolf