anarchie in jena

Anarchie ist machbar, Herr Nachbar, 2003.

damals war ich so bescheuert zu glauben, für jede ausstellung immer etwas neues machen zu müssen. statt einmal irgendwas hinzukneten und das dann hermannteig mässig weiterzureichen baute ich immer etwas neues. die Anarchie zeigte ich immerhin zweimal. ursprünglich baute ich sie für eine einzelausstellung in frankfurt, wo am eröffnungsabend 10 leute kamen (freunde, galerist und michselbst eingeschlossen).

diese ausstellung war rückblickend ein echter tiefpunkt. eine geplante installation setze ich komplett in den sand. die technik, mittels derer ein aal die fussleisten entlang gleiten sollte, versagte eine stunde vor eröffnung. die anderen drei arbeiten, Tot! Oder ich ess Dich auf, 4 lebensgrosse schweine, die zeitgleich auf der örtlichen kunstmesse zu sehen waren, und die Anarchie, entwickelten sich nach der ausstellung zu einem echten problem:
der galerist rief mich an und verkündete, dass er demnächst sein lager aufgebe und nannte mir eine frist bis wann ich die arbeiten abholen sollte.
das kam zu einem denkbar schlechten zeitpunkt: die produktion der ausstellung hatte alle reserven aufgebraucht. ich hatte mehrere monate durchgehend an den sachen gearbeitet und dann aber nichts verkauft. ich konnte die miete für mein atelier nicht bezahlen und ein transport dieser grössenordnung und die anmietung eines lagers stand völlig ausser frage. die vorstellung, das ganze sperrige zeug, was eh durch keine normale tür ging, wieder an der backe zu haben, raubte mir buchstäblich den schlaf.
also versuchte ich den galeristen zu überreden, zumindest zu versuchen, die arbeiten irgendwie anderweitig unterzubringen, doch das lehnte er ab. er kenne keine leute oder institutionen an die er sie verleihen könne. am ende sagte ich, halb im ernst, halb als wütende drohung, wenn ihm nichts einfiele, müsse er man arbeiten eben entsorgen.

wochen später kam dann ein anruf von einer kunstgeschichts-studentin aus weimar. sie käme gerade aus frankfurt und habe dort meiner galerie einen besuch abstatten wollen, um meine arbeiten zu sehen. die habe sie auch gesehen, allerdings nicht im haus sondern davor, an eine hecke gelehnt. als sie daraufhin aufgeregt im haus nachfragte habe man ihr gesagt, die arbeiten kämen auf den müll, sie könne sie aber gerne mitnehmen.

damals ist mir die lust auf sachen, die nicht anstandslos durch türrahmen passen, etwas vergangen.
in jena zeigte ich anschliessend erstmals zeichnungen und zwei plastische arbeiten, die sich im kofferraum transportieren liessen.