werkstattgespräch

wer sich für den newsletter des quartiersmanagers eingetragen hatte bekam die einladung zum workshop per mail. im vorfeld hiess es zwar, dass wurfzettel verteilt werden sollten, in unserem haus wurden jedoch keine wurfzettel verteilt. auch in anderen häusern am kuhberg und eichholz nicht.
ein paar tage vor dem workshop wurden immerhin zwei aufsteller auf der strasse angebracht – dumm nur, dass die ausstellung der entwürfe, die ebenfalls auf den aufstellern beworben wurde, bereits am wochenende zuvor stattgefunden hatte.

dafür war der workshop immer noch recht gut besucht. für einen „workshop“ fast etwas zu gut, aber es war ja auch kein workshop mehr: bei der unter ausschluss der öffentlichkeit stattgefundenen sondersitzung des stadtplanungsausschusses wurde er umbenannt in „werkstattgespräch“.

das „werkstattgespräch“ war dann auch eher eine informationsveranstaltung, bei der im anschluss fragen gestellt werden konnten. frontal zum publikum sassen die initiatoren (für die firma euroland die herren horx und rocholl, sowie herr dinse von dinse feest zurl), dahinter eine leinwand für die powerpointpräsentation. ausserdem gab es einen moderator, der die wortmeldungen moderierte.

an der hinteren wand waren auch ein paar stuhl-halbkreise um improvisierte flip-charts aufgebaut, da aber das interesse des publikums gar nicht darin lag, sich irgendetwas nettes für das erdgeschoss auszudenken oder etwa die fassadenfarbe zu bestimmen sondern einzig, zu erreichen, dass das ding nicht so unproportional und hoch gebaut wird, erübrigten sich die stuhlkreise.

es gab kaffee und brötchen, stellwände mit entwürfen, visualisierungen und verschattungsstudien sowie ein stadtteil-modell. es liess sich jedoch (abgesehen von den brötchen) nichts entdecken, was nicht schon bekannt gewesen wäre.

3 stunden waren eingeplant. gut das erste drittel ging für vorträge der investoren und des architekten drauf, danach war zeit für fragen aus dem publikum bzw. eine diskussion. als der moderator nach der ersten hälfte darauf hinwies, dass nun eine mittagspause auf dem programm stünde, lehnten die anwohner mehrheitlich dankend ab.

euroland schien sich das mit der bürgerbeteiligung irgendwie anders vorgestellt zu haben. einfacher vielleicht. zumindest entstand unter den anwohnern während der veranstaltung keine allzugrosse begeisterung für das projekt. der architekt und die investoren waren nach wie vor ziemlich begeistert von ihrem projekt, allerdings weniger angetan von der immer wieder artikulierten forderung der anwohner nach einer geringeren bauhöhe.

die euroland-vertreter bemühten sich nach kräften, ihr projekt ins beste mögliche licht zu rücken. auch der achitekt plauderte munter drauflos, wie er extra auf den kichtturm gekraxelt sei, um die situation mal von dort oben zu betrachten, und wie er sich darum kümmern wolle, dass das gebäude auf der gegenüberliegenden strassenseite auch noch ein geschoss obendrauf bekommt und damit gleich hoch sei.

in diesem zusammenhang wurden wieder dieselben visualisierungen gezeigt, die in den vergangenen monaten schon öfter moniert wurden. zuletzt sogar von mitgliedern der stapla-sitzung im oktober. weitere visualisierungen, auch aus anwohnerperspektive, würden nachgereicht, hiess es damals. neu war nun lediglich eine 3D-animation, die aber ebenfalls fast ausschliesslich ansichten aus „touristenperspektive“ umfasste.

euroland beklagte, dass das projekt in verschiedenen berichten falsch dargestellt wurde. so sei zum beispiel von eigentumswohnungen nie die rede gewesen, man sei sogar bereit, dies vertraglich zuzusichern. daraufhin erklärte ein anwohner, dass es für die meisten bürger überhaupt keine rolle spiele, ob dort nun eigentumswohnungen oder wohnungen zu hochpreismieten entstünden.

ein weiterer aspekt, mit dem euroland zu punkten versuchte, war der „biosupermarkt“. im laufe der veranstaltung wurde der „biosupermarkt“ fast zu einer art running gag.
bei der stadtteilkonferenz im september hatte ein anwohner als spontane idee für die erdgeschossnutzung des neubaus einen biosupermarkt vorgeschlagen und daraus machte euroland nun gewissermassen das hauptglied ihrer argumentationskette: sie wollten einen biosupermarkt, wir setzen das für sie um – wie sie sehen, hören wir auf sie, also was wollen sie denn jetzt noch?!
es seien sogar bereits gespräche mit potenziellen betreibern geführt worden und sei zu dem schluss gekommen, dass man an diesem ort so etwas profitabel betreiben könne.
doch so aufmerksam euroland auf einen einzelnen einwurf wie „biosupermarkt“ hörte, so taub gab man sich auf mehrfach geäusserte aussagen wie „zu hoch“ oder „zu klotzig“.

fast jede anwohner-wortmeldung forderte einen verzicht auf ein bis zwei stockwerke. ohnehin schon schmale strassen würden verengt, gegenüber liegende gebäude verschattet, vorhandene grünfläche überbaut und verschiedene blickachse zum hafen verstellt.
aber nichtmal das nutzungskonzept schaffe für die bewohner des viertels einen erkennbaren mehrwert. weder inhaltlich noch formal nehme der geplante neubau einen echten bezug auf das viertel und die interessen der anwohner.
wenn euroland tatsächlich, wie es vorgibt, an einem guten auskommen mit den bewohnern des viertels gelegen ist, sollte es den bewohnern ein stück weit entgegenkommen und zwei oder mindestens ein geschoss niedriger zu bauen.

auf die frage „ist es denn für sie denkbar, ein geschoss weniger zu bauen?“ hiess es, die planung sei schon zu weit fortgeschritten, man müsse dann ja alles nochmal überarbeiten, das sei schlecht möglich. einen alternativ-entwurf gebe es leider auch nicht. ausserdem könne man schliesslich auch nicht jeden einzelfall berücksichtigen (bloss weil einzelne ihre schöne aussicht verlieren, könne man ja nicht ein derart komplextes projekt einfach umwerfen).

die bitte einer anwohnerin, die mehrheitliche kritik an der höhe des geplanten neubaus doch ernst zu nehmen und nicht als „einzelfälle“ kleinzureden, führte in der antwort von karsten horx auf direktem wege wieder zurück zum biosupermarkt.

ein weiteres argument der euroland-vertreter gegen eine niedrigere kubatur war die finanzierbarkeit. dies wurde bereits bei der stadtteilkonferenz diskutiert, als sich euroland um verständnis dafür bemüht hatte, dass eine gewisse größe und höhe unumgänglich sei. man habe das grundstück zu einem sehr hohen preis erworben und irgendwie müsse das geld schliesslich auch wieder reinkommen.

was bei dem „werkstattgespräch“ allerdings ans licht kam war die nicht ganz nebensächliche information, dass euroland noch gar nicht die gesamte fläche gehört, auf der sie zu bauen planen. um so bauen zu können wie geplant, muss euroland noch grund und boden von der stadt hinzu kaufen und ist darauf angewiesen, dass die stadt ihr dabei preislich entgegen kommt. tut die stadt dies nicht würde das projekt möglicherweise scheitern.

mit 50% gefördertem wohnraum und der wohnraum-für-menschen-mit-behinderung-trumpfkarte hofft euroland nun die stadt in eine lage zu bringen, in der sie ihnen entgegen kommen muss.

vor diesem hintergrund erschien die diskussion um die höhe in korrelation zur finanzierbarkeit natürlich in einem ganz neuen licht. ein anwohner meldete sich zu wort und fragte, wieso es eigentlich die bürger ausbaden müssten, wenn ein investor zuviel geld für ein grundstück ausgegeben habe. es sei doch bedenklich, dass selbst wenn die stadt den investoren entgegen käme, indem sie den hinzukauf von billigem grund ermögliche, eine optimale geschossflächennutzung trotzdem nur durch eine maximal hohe bebauung erzielt werden kann. eine bauhöhe, die in dieser höhe im viertel bisher noch gar nicht möglich war und nur durch änderung der bebauungspläne (derzeit ausgewiesen als grünfläche) möglich würde.

im laufe der diskussion wurde die befürchtung geäussert, dass sich möglicherweise niemand „traue“ ein projekt, das günstigen wohnraum für „behinderte“ schaffe, zu kritisieren. sogesehen sei ein wohnkonzept für menschen mit behinderung und ältere mitbürger auch als eine form von erpressung wahrnehmbar.

an die anwesenden politiker wurde der vorwurf gerichtet, dass die stadt bisher kaum ernsthaft an der förderung solchen wohnraums für menschen mit behinderung interessiert gewesen sei, da die potenziale für solche projekte in der nahegelegenen hafencity noch nicht mal ansatzweise ausgeschöpft wurden. auch in der „neuen mitte“ von altona sei bisher von solchem geförderten wohnraum nichts zu erkennen.

nichts spreche gegen die vergabe von 50% der §5-schein-wohnungen an einen behindertenverband, aber der bedarf des hafenviertels könnte diesen geförderten anteil des neubaus ebenfalls problemlos füllen. schliesslich benötigen nicht nur die allerärmsten in unserer gesellschaft hilfe, sondern auch die “ein-bisschen-armen” oder kinderreiche familien.

nicht ganz so klug wie die diskussionsbeiträge aus dem publikum waren die des GAL-fraktionsvorsitzenden michael osterburg. dieser schien auch ausgesprochen verständnislos für die mehrheitliche ablehnung der 7 geschosse und machte aus seiner begeisterung für das projekt und die firma euroland keinen hehl.

einzelnen gespächsbeiträgen aus dem publikum zu folgen ist sicher auch nicht so einfach, wenn man während der gesamten diskussion an seinem i-phone und i-pad rumdaddelt oder kaffee holen ist – dass sich der GAL-mann aber nichtmal die mühe machte, aufzuschauen, als ein teilnehmer der veranstaltung die anwesenden politiker direkt ansprach, war schon etwas irritierend.

die herablassung mit der er das anwesende publikum zurecht wies: „sie wollen keinen biosupermarkt, keine landkarten, keine gastronomie – langsam müssen sie sich aber schon mal überlegen, was sie eigentlich wollen!“ war ebenfalls erstaunlich.

immerhin sorgte er für einen guten lacher als er das publikum belehrte, dass man sich doch freuen könne, wenn auf diese weise auch mal menschen mit behinderung einen elbblick bekämen.
was herr osterburg hierbei übersah war, dass sich der geförderte wohnraum nur über die unteren stockwerke erstrecken soll, während der elbblick nur menschen mit entsprechendem einkommen vorbehalten sein wird. andererseits gibt es natürlich auch menschen mit behinderung und vermögen, vielleicht meinte er ja die.

osterburg schien die interessen der anwohner vor allem für lächerlich, egoistisch und allgemein ignorierenswert zu halten. man fragte sich, ob osterburg hinter irgendeiner unsichtbaren karotte herrennt, die ihm euroland vor die nase hält, ob er euroland einfach so knorke findet oder ob ihm bürgerbeteiligung einfach grundsätzlich zuwider ist.

euroland dagegen meint es tatsächlich ernst mit der bürgerbeteiligung. man will auf jeden fall den eindruck vermeiden, dass man an den interessen der bürger vorbei agiere. allerdings ist die vorstellung von bürgerbeteiligung bei euroland eine etwas andere als bei den betroffenen: euroland möchte die bürger von ihren plänen überzeugen, die bürger möchten die pläne ändern und die negativen auswirkungen auf das viertel möglichst gering halten.

der anschein von bürgerbeteiligung und akzeptanz ist natürlich auch enorm wichtig für die weiteren verhandlungen von euroland mit der stadt und der verwaltung. er ist neben den 50% geförderten wohnraum und der (angeblichen) verbesserung der s-bahn-eingangssituation das pfund mit dem euroland in den verhandlungen zu wuchern gedenkt.

es bleibt zu hoffen, dass zumindest ein paar der anwesenden vertreter der verwaltung und der politik anders gestrickt sind als michael osterburg und das, was die anwohner erstaunlich sachlich vorgetragen haben, ernstnehmen und mit in die weiteren verhandlungen mit euroland einbringen. schenkt man den worten des SPD-vertreters arik willner und des leiters des zuständigen stadtplanungsamts michael mathe glauben, könnten die verhandlungen für euroland komplizierter als erwartet verlaufen.

felix schwenzel und katia kelm