5 tage athen. 20 minuten davon dauerte ungefär der aufbau, ausgedehnt auf 3 tage. das ging so: 5 minuten irgendwas herumtüdeln, hinsetzen, auf irgendwas warten. wieder 2 minuten tüdeln, losgehen, einen supermarkt suchen, wo man fensterputzlappen kaufen kann. wieder 2 minuten tüdeln, deo versagt, nochmal zum supermarkt, deo kaufen, feierabend.
alle 3 feierabende hab ich mit den kolleginnen zenner, krause und goldschmidt verbracht und wir waren ein ziemliches dreamteam. und das ging so:
wir zottelten durch staubige strassen. ein paar schritte, dann eine ausgrabungsstätte in einer baulücke fotografieren, flummis beim stassenhändler erstehen oder arschgeweih ans bein malen lassen, wieder ein paar schritte. und wenn ich abendkleider kaufen musste, weil ich vergessen hatte, welche einzupacken, oder in ne apotheke musse, weil ich auch pflaster, gurgellösung und nasentropfen vergessen hatte, kamen die anderen selbstverständlich mit.
lange grübelten wir über griechischen speisekarten und assen nach einer blindbestellung sogar sachen, die wir in deutschland nie essen würden, kommentarlos auf.
wir lernten eine menge taxifahrer kennen, ingenieure, die uns für wenige euros durch die halbe stadt kutschierten und auch nicht die geduld verloren, wenn wir uns, statt auszusteigen, in diskussionen vertieften, wieviel 3 euro durch 4 ist und wer wem was zurück geben muss.
im hotelfahrstuhl drückten wir alle knöpfe weil wir uns nicht erinnern konnten, in welchem stockwerk wir wohnten und im frühstückssaal besetzten wir den grössten tisch und holten 4x nachschlag.
aber zurück zur ausstellung. „mehr als schein“ ist ein ausstellungsprojekt, was von künstlern initiiert wurde. kuratiert von mark noll, den ich noch aus hamburg kenne und der seit 6 jahren in athen lebt und arbeitet. mark wurde unterstützt von dorothea goldschmidt und inge krause und die organisation vor ort hat die athener galeristin daphne zoumboulakis übernommen.
ich weiss nicht genau, ob unter den teilnehmenden künstlern vielleicht auch sowas wie „stars“ waren, unter den deutschen jedenfalls nicht wirklich. jeanne faust ist warscheinlich die namhafteste.
unter den griechischen teilnehmern waren zumindest ein paar, die von grossen athener galerien vertreten werden. und die grossen athener galerien sehen zumindest nicht anders aus als die grossen galerien in berlin-mitte.
die zoumboulakis galleries gehören zu den angeseheneren und ältesten athener galerien. bei der eröffnung kamen durchaus einflussreiche leute: kuratoren, galeristen, sammler, politiker und solche, die aussahen, als könnten sie sich die eine oder andere skizze schon noch leisten.
sogesehen würde ich die veranstaltung in der oberen liga einordnen, wenn auch nicht in der oberliga.
der echten oberliga begegneten wir dafür am ersten feierabend: bei einem besuch der deste foundation, der sammlung des steinreichen reeders dakis joannou, im artreview’s guide platz 36 der 100 bedeutendsten figuren in contemporary art.
ein glamouröses gigantisch grosses kunst-labyrinth in einer alten fabrik, quasi die athener version der falkenberg sammlung, nur noch rock n’ rolliger und in unkonventionelleren räumlichkeiten.
die kunst war ganz ok. die hängung nahm zeitweilig fast geisterbahnartige züge an, da fielen die feineren nuancen leicht untern tisch.
als zenner, krause und ich nach mehreren stunden, am unteren ende wieder rausgespült wurden, landeten wir auf einer tanzfläche: reiche damen in edlen abendroben schwenkten cocktails zu wummerden beats, lauter wichtige leute und wir mittendrin: rücklings taumelten wir richtung ausgang, wo wir dankbar auf einer mauer zusammensackten.
etwas uncool, wie drei verirrte omis in birkenstocksandalen, leggings und rucksäcken hockten wir dort und warteten auf mark und ruth, die sich mit einer griechischen prinzessin verquatscht hatten.
ein ehemaliger kommilitone, der zeitweilig in athen lebt, schlenderte vorbei. die nase grosszügig gepudert erzählte er etwas wirr über seine wahnsinns projekte. er hätte so viele ausstellungen, er hätte den überblick verloren. er sässe quasi nur noch im flieger.
ich so: „wow! ich musste extra nochmal googeln, wie einchecken geht.“
der kommilitone war auch als teilnehmer für unser ausstellungsprojekt im gespräch gewesen. ich erkundigte mich, ob er noch dabei sei.
„nö, kein bock.“
das dazu.
dann kam unsere eröffnung.
schon beim aufbau hatte mich die galeristin beeindruckt. bis zuletzt blieb sie völlig gelassen, ist rumgefahren um material zu besorgen, hat uns belegte brote gebracht und von vorn bis hinten betüdelt – während sie nebenbei noch ihren jahrhunderte alten familienbetrieb leitete. auf der eröffnung trug sie jedenfalls jeans und turnschuhe und ich bin vor ehrfucht ein bischen geschrumpft.
über die arbeiten bei “mehr als schein” könnte man viel erzählen, ich will aber nur über eine erzählen: barbara zenner.
barbara kannte ich vorher noch garnicht, vielleicht weil sie einer anderen generation angehört. sie ist 1945 geboren und bereits mehrfache grossmutter. ihre stickereien sind einfach der wahnsinn. es sind kleinformatige auf holz gezogene, ikonenhafte reliefs aus stickerei, wobei das nicht etwa der übliche kreuzstich, kettenstich oder dingenskirchenstich ist sondern völlig frei, als arbeite sie mit dem pinsel. mit wolle, glitzergarn und allem möglichen zeug, hinterher überarbeitet mit farbe, edding und wasweissich – zu guter letzt kippt sie sogar noch aromaduft drüber. heraus kommen kleine hochästhetische konzentrate, die sie „candys“ nennt und ich würd so gerne so eins haben!
worüber ich auch noch erzählen muss ist der hauptsponsor. „absolut vodka“ hatte während unserer drei aufbautage von einer 10-köpfigen mannschaft eine bar errichten lassen, die zumindest in punkto beleuchtung schon der top-act der ausstellung war: dahinter ein riesiges regal in dem über 100 flaschen standen, jede einzelne von hinten beleuchtet. daneben eine riesenhafte papp-silouette in flaschenform, ebenfalls hell bestrahlt. wir erwogen, einen plan aufzustellen, wer welche schichten übernehmen könnte, um auf der eröffnung davor zu stehen. da die meisten von uns aber nichtmal das label verdeckt hätten wurde es wieder verworfen.
statt vor der flasche zu stehen standen wir die meiste zeit nur vor der bar und testeten die cocktails. alle getränke waren frei.
obwohl sie über 3 etagen ging war die eröffnung rappelvoll. die absolut-barmänner haben 800 gäste gezählt und es gingen 2200 cocktails über den tresen.
mit der zeit hatte sich im viertel herum gesprochen, dass es in diesem haus gratis-vodka gab und schaaren von hippies und verzottelten gestalten tappten vorsichtig herein, gingen zur bar, orderten schüchtern ihre drinks, schnappten sich einen gratis-katalog und versuchten zwischen den botschaftern, dem ehemaligen ministerpräsidenten und kulturministerin nicht aufzufallen.
ein zotteliger bärtiger herr mit marty feldman blick und mit paul panzer sprachfehler trat auf mich zu und fragte: „excuse me, are you an artist?“
er würde sich gerne vorstellen und gab mir eine halb zerknüllte karte, auf der etwas in griechisch stand.
er arbeite im it-bereich im verkauf. und zwar verkaufe er waren bei ebay, unter anderem merchendise-artikel. er habe sich meine arbeit genau angesehen und er könne sich eine kooperation gut vorstellen. und zwar würden absolut vodka werbeartikel immer besonders gut gehen. er könne sich eine absolut vodka flasche aus knete gut vorstellen, das könne bis zu hundert euro bringen! absolut vodka sei eine sehr erfolgreiche marke! ich könne ihn jederzeit anrufen, ich habe ja jetzt seine nummer.
abschliessend muss ich nochmal sagen, wie grossartig mir alles gefallen hat. die leute, die stadt, die ausstellung, das alles wird wohl eines meiner jahreshighlights bleiben. danke daphne und mark <3
Nix gegen Pomm-Döner, Supersache. Also, wenn man total betrunken ist, so als Nachmitternachtssnack.