verstopfung beim tag der offenen tür

es ist winter. ich versuche mit nackten händen die stufe vor dem haupteingang meiner alten hochschule zu erklimmen. früher waren hier mehrere stufen, heute ist es nur noch eine und die ist zwei meter hoch. ich hänge also mit meinen 1,65 an frierenden fingern an der mauer und versuche mich hochzuziehen. was sich bewegt sind aber nicht meine untrainierten arme sondern die mauer. die obere platte hat sich gelöst und droht mir entgegen zu fallen – da kommt hilfe. claus mewes arbeitet inzwischen, wie die meisten ex-hfbk-ler und ehemaligen der hamburger kunstszene, an der hochschule als pausenaufsicht und zieht mich hoch, auf die mauer.

auf wackeligen beinen begebe ich mich in den zweiten stock, in den bibliotheksvorraum. ich war lange nicht hier. der boden ist inzwischen bedeckt mit grünem plastikfilz, übersäht mit kaugummis.
der vorraum ist voller ehemaliger studenten. es heisst, wir sollen warten, und das tun wir. viele haben angefangen, sich aus jacken und taschen kleine lager zu bauen, manche haben isomatten ausgerollt oder zelte aufgebaut.

plötzlich kommt bewegung in die sache. eine schlange hat sich gebildet vor dem vor kurzem neu eröffneten bio-trakt. an der hfbk wird nämlich jetzt auch biologie unterrichtet und heute ist dort tag der offenen tür.
unter den wartenden ist auch meine ehemalige kommilitonin brigitte*, inzwischen erklärtermassen megastar und die einzige hier, die es zu was gebracht hat.
brigitte hält sich stategisch im hintergrund, wie sie es schon früher gemacht hat. wortlos schlendert sie im raum hin und her bis sie von einem der ordner erkannt und nach vorne gewunken wird, an der schlange vorbei, direkt zum einlass in den bio-trakt.

als auch ich an die reihe komme ist der bio-trakt bereits knüppelvoll. alles hat sich verändert. früher war dies die verwaltung, ein langer flur von dem rechts die büros abgingen. jetzt gibt keinen flur mehr sondern die labore sind alle aneinander gereiht. um ans ende des ganges zu gelangen muss man alle durchqueren. die wände sind komplett verglast, alles steht voller labortische, becken, schläuche und zeug. dazwischen die neuen schüler, die emsig arbeiten und so tun, als bemerkten sie die hindurchströhmenden ehemaligen studenten nicht.

am ende des ganges, wo früher der fahrstuhl war, ist jetzt eine luke, durch die man man auf eine wendeltreppe aus blech gelangt. sie gehört zu der neuen kunst-meets-wissenschaft-installation von brigitte, ein ankauf der schule, die heute eröffnet werden soll.
auf der treppe im ehemaligen fahrstuhlschacht hat sich wieder eine schlange gebildet, ich reihe mich ein und lehne mich gegen das geländer. man kann es von hier nicht erkennen aber die wartenden erklären mir, es handle sich um eine rutsche.

es wird gesagt, die rutsche sei mit einer besonderen inneren beschichtung ausgestattet. in der röhre sollen unzählige grüne bohnen befestigt worden sein, die wie darmzotten funktionieren sollen und die sich beim hindurchgleiten zur seite neigen.
im unteren teil der rutsche sollen statt bohnen halbgetrocknete bismarkheringe anbracht worden sein, die das rutsch-erlebnis angeblich aber ziemlich vermiesen würden. da ich gerade nichts besseres zu tun habe bleibe ich trotzdem und warte.

lange bevor ich die obere plattform erreicht habe ertönt eine durchsage von claus mewes im auftrage der hochschulleitung. bedauerlicherweise müsse die ausstellung mit sofortiger wirkung bis auf weiteres geschlossen werden. die aufsichtsbehörde habe der anlage die freigabe wieder entzogen.
leider habe man erst heute bemerkt, dass sich das rohr ausserhalb des gebäudes befindet. aus kostengründen habe die galerie der künstlerin aber auf eine beheizung der röhre verzichtet sodass zunächst die bismarkheringe vereisten, die studenten zwischen den fischen stecken blieben und dann selbst vereisten. dadurch habe sich ein stau gebildet der zur folge hatte dass auch diejenigen weiter oben im rohr erfroren seien. er spreche allen angehörigen sein beileid aus und wünsche noch einen schönen tag.

(aufgewacht)

*name von der redaktion geändert