umziehen ist ein bischen wie verreisen – nur dass man alles einpackt. und zurück kommt man auch nicht, sodass, wenn ich mir das so überlege, umziehen eigentlich mit das schrecklichste ist, was ich mir vorstellen kann.
schon verreisen gehört nicht gerade zu meinen hobbies. wochen zuvor liege ich nachts wach, schreibe listen mit dingen wie „nasentropfen“ oder „verbandszeug“ und bestelle bei amazon kofferwaagen und nackenhörnchen. vor einem wochenendtrip gehe ich in die stadtbücherei und besorge reiseführer, landkarten und dvds mit reisereportagen. ich besitze alle ADAC campingführer von 1997 bis 2012 obwohl ich in den letzten 20 jahren nur 2x campen war.
im flugzeug kriege ich heimweh und nerve meine reisebegleiter mit schlechter laune bis zum tag der abreise.
ich bin das, was man unter einem stubenhocker versteht. ich brauche nicht zu verreisen, wozu? ich weiss wie es in guinea aussieht, ich hab internet. (hätte meine mutter mich vorher gefragt hätte ich ihr sagen können, dass es mit den dortigen sanitären anlagen nicht zum besten steht.)
umgezogen bin ich das letzte mal vor etwa 17 jahren und das auch nur durch einen zufall, weil unser haus abgerissen wurde.
danach brauchte ich nicht mehr umziehen, die wohnung in die ich zog war perfekt.
es wäre eh nicht möglich gewesen, weil ich auf 60 quadratmetern den inhalt einer 120 quadratmeter wohnung untergebracht hatte. das wieder zu entkomprimieren, hielt ich bis vor 4 wochen noch für schlicht unmöglich.
ausserdem hatte die wohnung hafenblick. und war dabei so billig – ich bin eigentlich kein tüp der witze erzählt aber wenn ich anderen hamburgern gelegentlich erzählte, wieviel miete wir zahlten, hatte das einen ähnlichen effekt.
vor 4 wochen bin ich trotzdem umgezogen. wieso, das will das hier mal versuchen, aufzudröseln.
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hamburg scheint es immer noch nicht zu merken aber es hat ein problem: die künstler hauen ab.
und zwar nicht bloss die bildenden, auch die musiker, autoren und theater-menschen, fotografen, designer, architekten, filmemacher. je weniger es werden umso mehr gehen.
die die noch da sind sagen „nö wieso, ich bin doch noch da“ aber auf hamburger vernissagen treffe ich kaum mehr jemanden, den ich kenne. stattdessen alles voller seltsamer schnösel, früher sagte man „yuppies“, warscheinlich aber einfach nur leute, die sich selbst als „kreative“ bezeichnen.
es gibt plötzlich jede menge galerien, die sich auf grafik und diese komische tatoo-ästhetik spezialisiert haben und kunst passend zur strumpfhose. hin und wieder ist auch mal richtige kunst dazwischen, vielleicht um den anschein zu wahren, aber man sieht von den arbeiten eh kaum was auf diesen vernissagen, so knüppelvoll ist das da, die haben sogar türsteher und schlangen vorm haus. beim rundgang in der admi dagegen traue ich mich in manche galerien mittlerweile kaum rein weil da ausser dem galeristen niemand drin ist.
die stimmung in hamburg ist wie in ner disko morgens um 5, wenn klar wird: man hat immer noch keinen zum ficken gefunden. man weiss dass es zeit wird zu gehen. und ein paar können sich immer noch nicht los eisen, weils draussen regnet und der nachtbus kommt nur alle stunde.
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meine schwiegermutter meinte kürzlich, sie könne es nicht verstehen, wieso man aus hamburg weggehen wolle, hamburg sei doch soo schön. aber genau das ist wohl der punkt: das ist leider alles.
alster, hafen, elbe – alles wunderschön. und wem es nicht reicht, der kann ja ins musical gehen oder auf den hafengeburtstag, die cruisedays oder die baustelle der elbphilhamonie besichtigen.
dass der tourismus die stadt nicht schöner macht, das ist den hamburgern egal, hauptsache es kommt kohle rein. die massen wollen „events“, also macht man „mega-events“, in hamburg zählen große zahlen. alles kleine hat in hamburg keine daseinsberechtigung.
demnächst spannen sie noch eine seilbahn über den hafen, um den idioten, die bereit sind, 100€ für ne „könig der löwen“-karte auszugeben, noch mehr geld aus der tasche leiern!
(was hier wie ein witz klingt wird wirklich gebaut.)
die hamburger sind stolz auf ihr ansehen und auf ihr geld. nur bringt es den künstlern nichts, denn wenn hamburger geld für irgendwas „kulturelles“ ausgeben, dann nur, wenn man essen gehen auch dazu zählt.
selbst hamburgs touris lassen ihr geld lieber in der nächsten fressmeile statt ins museum zu gehen während sich in berlin kunstverrückte aus der ganzen welt tummeln.
bleibt die staatliche förderung. da beisst sich jeder in hamburg gemeldete künstler in den arsch wenn er sieht, was andere bundesländer für seine ortsansässigen künstler raushauen.
während zb. berlin jedes jahr 15 stipendien im wert von je 12.000 euro vergibt sowie jede menge anderes zeug (alle möglichen projektförderungen, u.a. besondere förderungen für künstlerinnen) leistet sich hamburg 10 arbeitsstipendien dotiert mit monatlich 820 Euro.
dass weniger künstler auch weniger stipendien brauchen ist ja noch gerade nachvollziehbar aber wieso sind es in hamburg ganze 2160€ weniger bei obendrein viel höheren lebenshaltungskosten?
manche kollegen haben sich ihre “freundschaft” zu den sachbearbeiterinnen aus der kulturbehörde über die jahre hart erarbeitet, ich weiss nichtmal wie die aktuelle kultursenatorin heisst. die zwei förderungen, die ich während der letzten 20 jahre bekam, waren das hamburgstipendium und ein drittel eines kunstpreises (statt drei preisen hatte man lieber einen gedrittelt).
als ich mich letztes jahr doch mal mit einer freundin bei der hamburgischen kulturstiftung für eine projektförderung bewarb, hiess es: man fördere hauptsächlich grossprojekte und im übrigen wären wir zu alt.
die ausstellung um die es dabei ging war diese hier. es war eine ausstellung im WESTWERK, ein künstlerhaus mit großer ausstellungsfläche, mitten in der admi zwischen den gallerien.
man muss dazu vielleicht erzählen, dass das WESTWERK den ruf hat, dass künstler dort in der hoffnung ausstellen, dass sie von den benachbarten galeristen „entdeckt“ werden. leider hat es auch den ruf, dass diese nachbarn nie vorbei kommen.
selbst wenn man nur im WESTWERK ausstellt, weil man einen ausstellungsraum benötigt, läuft es darauf hinaus, dass man das kommen oder nicht-kommen der galeristen zumindest zur kenntnis nimmt. der erniedrigung bleibt also niemandem erspart.
und obgleich rum traube nuss eigentlich eine extrem gut besuchte ausstellung war mit einer der besten arbeiten, die ich je gemacht habe, weiss ich jetzt: die hamburger kunsthändler würden ihren arsch nichtmal 10 meter weit dafür bewegen.
einer, der gerade eine neue galerie eröffnet hat, beugte sich nur kurz zur tür herein und rief jemandem zu, sie sässen nebenan im rialto, essen.
die berliner kunstszene wird von hamburger künstlern gerne als „haifischbecken“ bezeichnet, dabei ist es auch hier genau umgekehrt: die hamburger szene ist mindestens genauso verkommen und korrupt wie die berliner, in berlin gibt es allerdings viele becken, hamburg hat nur das eine.
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dass ich jetzt auch endlich gemerkt habe, dass es zeit ist zu gehen, hat wieder etwas mit meiner alten wohnung zu tun. wie ich früher schon mal geschrieben hatte, will mir ein investor mit freundlicher unterstützung der hamburger GAL einen „kristallinen körper“ vors haus bauen (wo wir bisher auf kräne, schiffe und bäume blickten wird in zukunft eine hauswand stehen). das ist für mich so schlimm, dass umziehen plötzlich schon viel weniger schlimm erschien.
leute aus meinem nicht ganz unmittelbaren umfeld haben sich über den widerspruch lustig gemacht, von einer grossbaustelle in die nächste zu ziehen, es geht hier aber nicht um baustellen oder wirtschaftsnahe GAL-politiker und ich geh auch nicht weg weil ich unbedingt nach berlin will. ich wär auch nach new york gegangen, so ist es ja nicht, berlin war nur gerade dichter.
ich geh weg, weil mir inzwischen JEDE andere stadt interessanter erscheint als hamburg. wer mein blog liest hat das sicher schon gemerkt. hamburg hat für mich kein potential mehr. die zugebaute wohnung war nur der tropfen, der mit dem fass, sie wissen schon.
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trotz meiner umzugsphobie hab ich es erstaunlich emotionslos durchgezogen. 5 besichtigungen, vertrag unterschrieben. kurz nach hamburg zum packen, zurück nach berlin zum fussböden abschleifen und streichen – klack – umzug. zugegeben, die letzten zwei monate war ich nervlich so am limit dass ich, trotz täglich 2 döner, mehrere kilo abgenommen hab.
ich habe überlebt und jetzt sitze ich hier auf meinem sofa im wedding und freu mich. ich freu mich darüber, weg zu sein. keine gründe mehr zu suchen, wieso man immer noch da ist. ich habs endlich erledigt.
und irgendwie war hamburg ja auch ganz schön.
Gratuliere.
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Hätte von mir sein können
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Willkommen im nächsten Level.
(Ich bin zutiefst beeindruckt. Und kann Dich nur zu gut verstehen. Und Du weißt ja, wie doll ich Hamburg mag. Aber …)
Berlin ist gerade am Absterben. Eine ungeheure Dynamik bei den Mieten, Kreuzberg und Neukölln überschwemmt von Fashion Victims und oberflächlichen NY- und London-Hipstern, die einfach nur da sein wollen, wo der Jet Set gerade ist.
Berlin ist tot, nur die Feierszene funktioniert noch einigermaßen. Wenn du Drogenopfer werden willst.
Na sowas, am Kuhberg hast Du gewohnt! Grüße aus der alten Heimat. Wir haben 15 Jahre lang in der Rambach gewohnt und sind dann auf den Hügel in die Zeughaus gezogen, nach sieben Jahren auf einer Warteliste. Das schien mir schon damals als Sechser im Lotto, so schön direkt am Hafen zu wohnen für relativ wenig Miete.
Mist, ich ärgere mich, dass ich nicht zur angekündigten Veranstaltung gegangen bin, letzte Gelegenheit, den Glaskasten am Hafentor zu verhindern. Na, denen hätte ich was erzählt!
Alles Gute in Berlin!
hallo paula!
das mit dem neubau ist aber auch noch in der mache, man kann da auf alle fälle noch mitmischen. es gibt auch immer noch jede menge anwohner, die sich da engagieren. am besten du gehst morgen abend mal zur stadtteilkonferenz, da wird wieder über den aktuellen stand informiert. die stadtteilkonferenz findet statt um 19:00 Uhr in der Rudolf-Ross-Grundschule, Kurze Straße 30
da werden sicherlich auch einige anwohner hingehen, vielleicht kannst du ja mal kontakt aufnehmen.
und danke für die wünsche!
Gratuliere! Zukunft ist klasse, und nach Zukunft liest sich das. Ich freue mich schon auf die nächste Einladung zur Ausstellung – die mir wahrscheinlich wieder zu weit weg sein wird, aber ich freue mich!
Ich habe kurz zu “rum traube nuss” quer gelesen und finde es verhältnismässig verrückt, was Du da angestellt hast! :-) Das passt, finde ich, irgendwie recht gut (besser) zu Berlin ;-) Herzlich Willkommen!
danke ihr knutschis!
Ich war wohl in meinen jüngeren Jahren viel zu selten gegen fünf in der Disco – deshalb dachte ich auch, dass Du der Liebe zum Ehemann wegen umgezogen wärest. Wenigstens auch?
@svenr meinem ehemann ist es ziemlich egal, wo wir wohnen.
Dass man irgendwann einen Tapetenwechsel braucht ist verständlich, aber ausgerechnet Wedding ? Ausgerechnet Berlin ? Ausgerechnet jetzt, wo die Stimmung in den Kiezen umkippt und die Stadt irgendwie keine Künslter mehr braucht / will ? Die meisten meiner Berliner Bekannten wollen die Stadt verlassen, wissen nicht aber wohin…
@lea
in hamburg ist gerade 1 platz frei geworden
Liebe Katia,
herzlich willkommen im Wedding! Ich wünsch dir nach dem Ende einen Anfang mit (wenigstens ein bisschen) Zauber. Schön, dass du hier bist.
Herzliche Grüße,
Fux